aus der heutigen LVZ:
Chemie Leipzig schwebt auf Wolke sieben: Rang fünf in der Tabelle der Regionalliga Nordost, die sechstbeste Offensive, acht Siege und ein Remis aus zwölf Spielen, gegen die "Großen" aus Jena, Chemnitz und Berlin (BAK) gewonnen. Die Fans sind begeistert, die Konkurrenz beeindruckt. Statt der Außenseiterrolle bekommt das Team von Trainer Miro Jagatic vermehrt den Stempel des Favoriten aufgedrückt. Nach einem Drittel der Saison zieht der Trainer, der zuletzt krankheitsbedingt nicht auf der Bank sitzen konnte, ein erstes Zwischenfazit. Ein Gespräch über Erwartungshaltungen, Druck, die neue Abwehr und das ganz neue System.
Herr Jagatic, wenn sie auf die Tabelle der Regionalliga schauen, wie oft müssen Sie sich dann kneifen? Gar nicht. Wir träumen ja nicht, können alles einordnen. Nach leicht holprigem Start kamen wir ab dem dritten Spieltag in die Spur. Und natürlich ist es schön, wenn man nach 40 Jahren wieder in Chemnitz gewinnt oder Jena und den BAK schlagen kann. Oder mal im Jahn-Sportpark (gegen Viktoria, die Red.) was mitnimmt, diesen fast schon "Fluch" endlich besiegt und da was holen kann, was uns in den letzten Jahren nie gelungen ist. Solche Big Points haben wir nicht auf dem Schirm gehabt. Jetzt wollen wir den Schwung und das Momentum so lange wie möglich mitnehmen. Als wir umgestellt haben nach drei Spieltagen, waren viele verdutzt, was wir denn da machen. Es waren erstmal nicht alle begeistert, und im Training ist es stellenweise schon etwas lauter geworden. Wir waren aber sicher, dass die Mannschaft das kann, hatten uns schon in der Vorbereitung darauf verständigt im Trainerteam. Nach einiger Zeit hat die Truppe das angenommen, und dann gewinnt man eben auch mal gegen den Tabellenführer. Und jetzt ist das System fest drin, es passieren weniger individuelle Fehler. Es passt.
Wieviel Mut braucht es für einen solchen Schritt, zumal ja gestandene Spieler den Verein verließen? Natürlich überlegt man viel, denkt über Chancen und Risiken nach. Mal wird’s reichen, mal nicht, aber da wachsen wir rein. Die Mannschaft hat den Mut, das zeigt sie jetzt. Zeitweise sieht man schon, wo wir mal dauerhaft hinwollen mit unserem Spiel. Wir probieren jede Menge aus, sind immer noch im Umbruch. Wir drehen an den Stellschrauben, um Konstanz reinzukriegen. Um dann, wie angekündigt, im kommenden Jahr die Ernte einzufahren.
Was ist damit gemeint? In der nächsten Saison wird man noch ein anderes Bild von der BSG Chemie haben, da werden wir nochmal draufsatteln, uns auf zwei, drei Positionen weiter verstärken. Wir haben ein tolles Fundament, bauen jetzt am Haus. Und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.
Die Erwartungshaltung steigt naturgemäß, bei manchen auch ins Uferlose. Da wird dann mehr Druck im Spiel sein als jetzt, oder? Stimmt, und das ist dann unsere Aufgabe als Trainer, damit umzugehen und das vom Team wegzuhalten und zu lernen, wie man mit gestiegenem Druck umgeht. Vor allem brauchen wir Vertrauen. Wir wissen genau, was wir tun, werden alle Situationen gemeinsam meistern.
Was macht Sie da so sicher? Wir haben in den vergangenen vier Jahren so viel aufgebaut, da entwickelt sich so viel! Die Jungs sind so willig, kommen nach der Arbeit, wollen sich immer weiter verbessern, ackern und arbeiten. Darauf sind wir wirklich stolz, wenn man das sieht, und dass dann gegen Tennis Borussia noch 4000 Zuschauer kommen. Wahnsinn! Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir noch besser werden. Wichtig ist ja auch, dass wir hier ruhig und ohne Hektik arbeiten können.
Die neue Abwehr spielt eine große Rolle beim derzeitigen Erfolg. Überrascht, dass sich die Defensive so schnell gefunden hat nach den Abgängen von Stefan Karau und Benny Boltze? Es ging tatsächlich schneller als erwartet, alles hat sich stabilisiert und gefunden. Wir wissen aber auch ganz genau, an was wir noch arbeiten müssen. Da ist noch Luft nach oben. Aber die Spieler wollen sich selbst immer weiter verbessern. Gerade in der engeren Abwehr sind doch alle so blutjung, denen muss man Zeit geben.
Derzeit steht Chemie auf Rang fünf. Wo wollen Sie nach 34 Spieltagen stehen? Wir wollen oben bleiben, ganz klar. Vor der Saison habe ich gesagt, Platz 8 oder 9 wäre ne geile Sache. Jeden Tabellenplatz weiter oben nehmen wir dankbar an, ist doch klar.
Zuletzt fehlten Sie wegen eines operativen Eingriffs. Wie geht es Ihnen? Es geht wieder gut, alles ist in Ordnung. Derzeit bin ich aber wegen Rückenproblemen noch außer Gefecht, ich muss die Muskulatur am Rücken hinbekommen, da gibt es ein paar Probleme. Aber gegen den BFC sitze ich wieder auf der Bank.
Sie leiden immer extrem mit bei den Spielen. Wie hält man das zu Hause aus, teilweise sogar ohne Fernsehbilder? Es war ganz komisch, aber ich habe vollstes Vertrauen zum Trainerteam. Das Ruhepolster machte es entspannter, aber natürlich ist man nervös und fiebert mit. Gegen TeBe war ich ja im Stadion, da war es schlimmer. Da musste ich mir ab und an auf die Zunge beißen und mich manchmal zusammenreißen.