Zeitreise: Leipzig, 18. Mai 19**, ein heißer Vorsommertag.
(Bezirksleitung der SED, Karl-Liebknecht-Straße): Hier ist das Sekretariat der Bezirksleitung. Der 1. Sekretär der Bezirksleitung wünscht den Genossen Generalmajor *** zu sprechen.
(BDVP, Essener Straße) M: Ich bin am Apparat.
Mitarbeiterin: Ich verbinde.
M: Jawohl.
S: Hier ***. Genosse Generalmajor, Sie wissen, warum ich anrufe?
M: Ich vermute wegen Karl-Marx-Stadt.
S: Das war ja nicht schwer zu erraten. Ich muß wissen, ob Sie mir – zusammen mit den Kräften vor Ort – die Ordnung und Sicherheit am Finaltag garantieren können.
M: Genosse 1. Sekretär, darf ich ganz offen sein?
S: Natürlich, die Lage erfordert es.
M: Dann muß ich Ihnen folgendes mitteilen: Unter diesen Umständen nicht. Die Genossen in Karl-Marx-Stadt müssen verrückt geworden sein. Die machen noch so weiter, bis sie wieder Chemnitz heißen.
S: Jetzt malen Sie mal den Teufel nicht an die Wand, Genosse Generalmajor.
M: Natürlich nicht, Genosse ***.
S: Ich will gar nichts vom Teufel wissen, mir reicht schon, daß mir die Genossen aus Berlin im Nacken sitzen. Schließlich wird das Spiel im DDR-Fernsehen übertragen.
M: Ich warne ja immer vor solchen Live-Übertragungen. Spätestens seitdem unserer Katarina, der Genossin Witt, beim letzten Rockkonzert der FDJ in Berlin die Bierbecher ins Gesicht flogen und alle es im TV sehen konnten. Wird eigentlich das Konzert am Abend von der Festwiese übertragen? Das hatten wir ja eigentlich geplant, damit am Finaltag nicht so viele Leipziger nach Karl-Marx-Stadt fahren.
S: Nein, keine Übertragung, das mit der Genossin Witt hat gereicht. Zurück zum Fußball. Sehen Sie eine Möglichkeit, Genosse Generalmajor, zu retten, was zu retten ist?
M: Jawohl Genosse 1. Sekretär, die sehe ich.
S: Und zwar?
M: Zusätzliche Blöcke für die Leipziger, am besten mehrere.
S: Dann können Sie für die Sicherheit dort garantieren?
M: Nach jetziger Lage, ja. Wenn es uns gelingt, diejenigen Leipziger, die sich bereits Heimkarten organisiert haben, noch umzulenken.
S: Wie viele sind das denn?
M: *****
S: Oh, wirklich so viele?
M: Laut unseren Informanten ist dies lediglich die Mindestzahl. Es könnten auch noch mehr werden.
S: Welche Idioten sind eigentlich dafür verantwortlich, daß die Situation derart aus dem Ruder gelaufen ist?
M: Das kann ich Ihnen nicht sagen, Genosse 1. Sekretär. Aber, daß es Idioten sind, auch beim DFV, davon müssen wir leider ausgehen. Das grenzt ja an Sabotage.
S: Danke für Ihr Vertrauen, Genosse Generalmajor, das sehe ich auch so. Ich rufe sofort den Genossen 1. Sekretär in Karl-Marx-Stadt an.
M: Und ich die dortige BDVP, den Genossen ***.
S: Einsatzbereitschaft herstellen?
M: Jawohl, ab sofort.