Sehr geehrte Sportfreunde,
Mit großem Entsetzen haben wir die Berichterstattung der Bild-Zeitung und die darauf folgende Stellungnahme des FC Sachsen Leipzig zu den Verhandlungen über eine Kooperation mit Rasenballsport Leipzig zur Kenntnis genommen.
Wir sehen uns daher verpflichtet, die Verantwortlichen des FC Sachsen auf die großen Gefahren einer Vertragsunterzeichnung hinzuweisen und einen Alternativvorschlag zu unterbreiten.
Unsere Fassungslosigkeit über diesen plötzlichen Sinneswandel erklärt sich vor allem aus den Geschehnissen der letzten Monate. Deshalb zunächst ein kurzer Rückblick:
Im Mai 2010 beschließen 97% der anwesenden Mitglieder der BSG Chemie auf der Mitgliederversammlung, dass es zur Vereinigung beider Vereine kommen solle, wenn der FC Sachsen sich zu seinem historischen Namen bekennt und eine Umbenennung beschließt. Das beschließen die Mitglieder des FC Sachsen im selben Monat zwar nicht, doch beauftragen 2/3 der anwesenden Mitglieder ihren Vorstand, ergebnisoffene Gespräche mit dem Vorstand der BSG Chemie Leipzig zu führen. Es kommt zu einem einzigen, vorerst ergebnislosen Treffen.
Im November 2010 wird ein weiterführender Antrag unserer IG von den Mitgliedern des FC Sachsen abgelehnt – unter anderem mit Verweis auf den bereits bestehenden Gesprächsbeschluß vom Mai. Unter Applaus der Mitglieder verkündet Vorstand Lars Ziegenhorn, dass der Verein auf einem guten Weg sei, man im Fall der Fälle auch aufsteigen wolle, das von RB vorliegende Kooperationsangebot vorerst nicht unterzeichnet werde, und auf Nachfrage, dass eventuelle 6.000 € aus der Nutzung des AKS durch die BSG Chemie für die Etatplanung irrelevant seien.
Keine drei Monate später ist im Bezug auf das Vertragsangebot von RB Leipzig plötzlich von einer „wirtschaftliche Entscheidung, die der Insolvenzverwalter Heiko Kratz nicht ablehnen kann“ die Rede, von dringend benötigten Einnahmen und fehlenden Helfern.
Diese Kehrtwende mutet sehr skurril an. Anstatt wie von den Mitgliedern beauftragt Gespräche mit der BSG Chemie voranzutreiben und so den Verein auf eine breitere finanzielle und ehrenamtliche Basis zu stellen, verhandelt man jetzt lieber mit RB, einem Verein, der bei den meisten Chemiefans bekanntlich auf keine positive Resonanz stößt. Anstatt sich u.a. um 6.000 € Platzmiete zu bemühen oder die Fans zur Mithilfe in dieser Notlage aufzurufen, greift man verzweifelt nach 10.000 € von RB (nicht einmal 2% des Etats).
Wir halten dies für eine Missachtung des Willens der Mitglieder des FC Sachsen und appellieren deshalb eindringlich an den Vorstand des FCS, von einer Unterzeichnung des Vertrages abzusehen! Darüber hinaus bezweifeln wir sowohl die kurz- als auch die langfristige Wirtschaftlichkeit dieses Geschäftes aufs Stärkste und halten sie für eine Milchmädchenrechnung. Rechnungen kann man im Fußballgeschäft nicht ohne die Emotionen der Fans machen. Zahllose Chemiker sehen jedoch durch die Zusammenarbeit mit diesem von kommerziellen Interessen geleiteten Verein ohne demokratische Strukturen ihre Tradition und Ideale verraten und verkauft. Niemals werden der strukturelle Vorteil in der Nachwuchsarbeit und die 10.000 € Mehreinnahmen den Verlust an Zuschauern, Mitgliedern und Image aufwiegen, der durch diese fatale Entscheidung entstehen könnte. Darüber hinaus wäre die Basis für eine Zusammenarbeit mit der BSG Chemie nachhaltig zerstört. Doch gerade dort muß in unseren Augen das Interesse des FC Sachsen liegen. Nur gemeinsam mit der BSG Chemie kann es eine nachhaltige Entwicklung des FC Sachsen im Einklang mit seiner großen Tradition geben. Eine Zusammenarbeit könnte auch schon kurzfristig ungeahnte Reservekapazitäten, finanziell, aber auch im Blick auf die Mitgliederzahl, den Zuschauerzuspruch, die Außendarstellung und das ehrenamtliche Engagement im Verein und für den AKS freisetzen, die die Vorteile der Kooperation mit RB Leipzig weit übertreffen.
Wir empfehlen daher, sehr zeitnah eine gemeinsame Vorstandssitzung abzuhalten, auf Wunsch auch mit einem Vertreter unserer IG, um folgende Maßnahmen zu beraten und in die Wege zu leiten:
1. Mitgliederbefragung:
Um Klarheit über das Meinungsbild der Mitglieder zu bekommen und so ein Handeln im Einklang mit den Mitgliedern zu ermöglichen, schlagen wir eine schriftliche Befragung der Mitglieder beider Vereine zu folgenden Fragen vor:
– Schaffung eines gemeinsamen Vereins? JA/NEIN
– Name eines gemeinsamen Vereins? FC Sachsen / BSG Chemie / neuer Name (mit Vorschlag)
– Kooperation des FCS mit RB Leipzig? JA/NEIN (nur an FCS-Mitglieder zu stellen)
– Kooperation eines gemeinsamen Vereins mit RB Leipzig? JA/NEIN
2. Sofortige Unterbrechung
– von Verhandlungen des FC Sachsen über eine Kooperation mit RB Leipzig
– von Aktivitäten der BSG Chemie zum Ausbau oder zur Weiterentwicklung der Nachwuchsabteilung,
bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Mitgliederbefragung.
3. 10.000 € – Benefizspiel:
Zur Generierung kurzfristiger Einnahmen: Umgehende Ansetzung eines Benefizspiels noch im März, etwa unter dem Motto: „10.000 Euro für einen gemeinsamen, unabhängigen Verein“
Das Spiel wird von Fans beider Vereine organisiert und die unbedingt notwendigen Kosten von Sponsoren getragen. Die Einnahmen setzen sich zusammen aus 1000 × 5 Euro Eintritt plus 20 × 250 Euro Unterstützerpakete, werden 80:20 auf beide Vereine verteilt und sind dort für die Nachwuchsarbeit zweckgebunden. Weitere kurzfristige Einnahmequellen könnten ein Mottoshirt und eine Unabhängigkeits-Spendenkiste sein. Das Spiel kann, wie die positiven Erfahrungen im Ergebnis des ausschließlich von Fans organisierten Freundschaftsspiels der BSG Chemie Leipzig gegen den FSV Zwickau belegen, auch im laufenden Spielbetrieb stattfinden. Es sollte ein Vorspiel der B-Junioren und ein entsprechendes Rahmenprogramm geben.
4. Zusammenarbeit der Vereine
Ein Entwurf konkreter und denkbarer Schritte für eine Zusammenarbeit der Vereine sollte verabschiedet und sofort veröffentlicht werden.
Im Gegensatz zur momentan verfolgten Vereinspolitik halten wir diese vorgeschlagenen Maßnahmen für dem Willen der Fans entsprechend und vor allem für nachhaltig in Bezug auf die Annäherung von FCS und BSG.
Wir als IG sehen keine gangbare Alternative, neben der Übermacht von RB Leipzig zu bestehen, als wieder zusammenzuführen, was zusammen gehört und werden nicht aufhören, für einen gemeinsamen Weg beider Vereine zu streiten. Die Verantwortlichen des FC Sachsen sollten sich darüber im Klaren sein, daß mehr als nur Geld und Nachwuchschancen auf dem Tisch liegen. Man ist dabei, die Würde und das Selbstverständnis tausender Chemiker gegen einen lächerlichen Preis zu verhökern und das an einen Verein, der alles was er in Leipzig vorfindet kompromißlos seinen kommerziellen Interessen unterordnet und dem Nachwuchs des FC Sachsen allein in den letzten zwei Jahren 75 Spieler abgenommen hat.
Gemeinsam hätten wir als Leutzscher die Kraft und den Stolz, uns diesem übermächtigen Gegner entgegenzustellen. Der 1.FC Lok kann uns dafür ein Vorbild sein. Wir sind uns sicher, daß eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Kooperation mit RB eine ähnliche Absage erteilen würde und sind fest zu diesem Schritt entschlossen, sollten die Verhandlungen mit RB fortgesetzt werden.
Wir bitten daher um eine Stellungsnahme der Vorstände zu diesem offenen Brief bis spätestens 26.02. und appellieren noch einmal eindringlich an die Verantwortlichen beider Leutzscher Vereine:
Liefern Sie unseren einzigartigen Verein mit seiner ganzen Tradition und seinen stolzen Fans nicht unüberlegt diesem vermeintlichen Retter des Fußballs aus! Gemeinsam haben wir die Kraft, unsere Vereine aus ihrer jeweils eigenen Zukunftsnot zu befreien. Stützen Sie jetzt durch Ihr entschlossenes Handeln das Fundament auf dem unsere Vereine stehen:
Tradition, Treue und Leidenschaft!
Bitte handeln Sie jetzt, bevor es für immer zu spät ist.
In großer Sorge um unsere geliebte BSG Chemie
Interessengemeinschaft für einen geeinten grün-weißen Verein unter dem Namen BSG Chemie Leipzig
Leipzig, 19. Februar 2011