Autor Thema: Alfred Kunze  (Gelesen 17765 mal)

Offline Dantel

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #45 am: 19. Oktober 2018, 10:55 »
Und mal ganz nebenbei: Ich finde die Äußerungen im Presse-Thread schon etwas befremdlich. Nur weil es um Alfred Kunze geht, soll sich niemand damit befassen? Käse! 1. Geht es hier doch niemandem darum, Alfred Kunze zu verunglimpfen und 2. ist es doch besser, wenn wir uns als Menschen, die Alfred Kunze mehr als wohlwollend gegenüber stehen damit befassen, als wenn es irgendwelche Ahnungslosen machen!
Und wie Esca ja auch sagt, gilt die Unschuldsvermutung. Und bitte kommt nicht mit diesem stumpfen "keine Politikdiskussion"-Gelaber!
Bis auf solche Äußerungen hatten wir doch eine gute Diskussion darüber mit teils recht unterschiedlichen Meinungen - aber so soll es doch auch sein...

Es soll sich nicht niemand damit befassen. Ich sehe das allerdings so, dass der Presse-Thread eher für neue Meldungen über Chemie ist und eine Diskussion solche dort eher mal überdeckt. Wenn eine Pressemeldung zur Diskussion wird, dann sollte man dem Rechnung tragen und ihr einen eigenen Raum geben, so wie das hier geschehen ist. Daran ist nichts verwerflich.

Was die Sache ansich angeht, so gilt es aus meiner Sicht zwei Dinge zu trennen:

1) Lässt sich Alfred Kunze als NSDAP-Mitglied nachweisen?

Der Beweis ist nicht erbracht, wenngleich die Indizien stark sind. Das mag uns nicht gefallen, ist aber das entstandene Bild. Offenbar wurde Alfred Kunze die Karriere in der DDR stark eingeschränkt, obwohl man von seinen fachlichen Kenntnissen überzeugt war. Dies eben aufgrund seiner angeblichen NSDAP-Zugehörigkeit. Das kann verschiedene Gründe haben, allerdings würde es wohl zu weit führen, eine Legende über ihn als Ausbilder in Rimini (Italien) zu erfinden um ihm die Karriere zu verbauen. Auf mich wirkt das unrealistisch. Die SED/ Stasi hatte offenbar eine Quelle und wenn man wirklich will, dann lässt die sich auch erschließen, ob in Berlin (WASt, Bundsarchiv) oder in Italien. Ich mag das nicht machen. Er ist auch mein Held.

2) Reicht ein solches Fehlverhalten aus, um das Lebenswerk eines Menschen vollständig zu zerstören?

Gesetzt der Fall, er wäre NSDAP-Mitglied gewesen: Man macht es sich leicht, wenn man von heute aus urteilt. Es ist eigentlich unverschämt. Wenn man nicht in dieser Situation war, dann kann man sich leicht zum Richter erheben. Ich selber bin als Pionier und FDJler aufgewachsen und war mir zu dieser Zeit völlig sicher, dass die DDR eine tolle Sache sei, bis mir nach und nach die Augen geöffnet wurden und ich von den Verbrechen dieses Staates erfuhr. Das brauchte seine Zeit und hatte nebenbei auch viel mit Chemie zu tun. Man verfällt so leicht einer Ideologie, gerade als junger Mensch. Das gilt im Übrigen auch für den Autor des Artikels. Das ist das Eine. Keiner von uns weiß, was Alfred Kunze bewogen haben könnte. Wollte er seine Lehrertätigkeit fortsetzen? War es Überzeugung? War es was anderes? Wir wissen es nicht. Es ist so leicht loszublöken: "Dann hätte er eben ein antifaschistischer Held sein müssen!" Nicht jeder kann ein Held sein. Und Helden sterben auch schnell. Nicht jeder will das. Wer das einfordert, muss sich erst einmal selbst hinterfragen und dann wahrscheinlich belügen.

Wie auch immer: Es wurden ihm keine Verbrechen zur Last gelegt und das ist, was für mich zählt. Wenn selbst die SED es nicht für nötig gehalten hat, ihn strafrechtlich zu verfolgen, dann deutet das stark auf ein Mitläuferverhalten, wie es unter extremistischen Diktaturen keine Seltenheit ist. Ich bin Alfred Kunze im Altersheim in Lößnig begegnet und hatte nicht den Eindruck, dass da ein Nazi vor mir sitzt. Und wir, wir ehren Alfred Kunze ja nicht wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft, sondern wegen seiner außergewöhnlichen Leistung als Fußballtrainer in seinem Leben danach. Das ist entscheidend und das sollten wir uns auch nicht zerschreiben lassen.

Im Grunde sind wir uns doch einig. Irgendwer hat vermeintlich, nicht wirklich bewiesen, einen dunklen Fleck auf der Weste unseres Meistertrainers gefunden und versucht damit, sein ganzes Leben schwarz oder braun einzufärben und unseren Verein gleich mit. Dass das in dieser Form unredlich ist, weil völlig undifferenziert, darüber sollten wir uns einig sein.
"Frage nicht, was Chemie für Dich tun kann, sondern was Du für Chemie tun kannst."

Offline fairclough

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #46 am: 19. Oktober 2018, 11:23 »
Auch wenn ich einige Punkte ein ganzes Stück anders sehe (vor dem Hintergrund des aktuellen NS- und DDR-Forschungsstandes), teile ich dein Fazit und denke, dass deine differenzierte Zusammenfassung der Sachlage ein würdiges Zwischenfazit sein kann - bis vielleicht irgendwer noch etwas Neues herausbekommt.
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Offline derHarti

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #47 am: 19. Oktober 2018, 11:38 »
Ich denke mir , das es wie üblich, um die Deformierung des Vereins geht , um Unruhe reinzubringen und die Fans wieder zu spalten . Der AKS bleibt der AKS , die Leistungen von Alfred Kunze und dieser Meistermannschaft , die trotz SED Diktatur und Kommunistisch Stalinistischen Sportbeschlüssen , allen trotz zu wieder , Meister geworden sind. Ich kann nicht nachvollziehen ,das hier einige auf diesen Zug aufspringen , vorher hätte man den Autor dieser Zeilen beleuchten müssen. Da fragt man sich nach der Motivation , bei diesen Schmierfinken, geboren im Ruhrgebiet , der auch nie die DDR Willkür erlebt hat , garantiert diese so noch nicht mal besucht hat und die unterm strich keinen deut besser war , als das 3. Reich, nur das der Lack rot war und nicht braun .

Jo. Honecker hat ja höchstpersönlich die Ermordung von Millionen Juden/Roma/Schwulen/Asozialen und politischen Gegnern angeordnet weil es Untermenschen waren...
Meistens versuche ich deine Ergüsse zu ignorieren, hier gelingt es mir nicht. Der Vergleich 3. Reich und DDR ergibt keine Gleichstellung der Lebensverhältnisse. Fakt.

Zur Diskussion: bitte weitermachen. Hier wird bei einem hochemotionalen Thema sehr sachlich argumentiert. Ich wünschte mir, dass auch nur 10% der Diskussionen im Internet so verlaufen würden, dann wäre viel gewonnen.
Ich bin auch der Meinung, dass sich am Ende immer Fakten durchsetzen und diese ein scharfes Schwert sind. Die Beschäftigung mit dem Thema und die zugehörige Recherche sind m. M. n.positiv zu bewerten und haben nichts mit Nestbeschmutzung zu tun.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2018, 11:41 von derHarti »

Offline Dantel

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #48 am: 19. Oktober 2018, 11:55 »
Jo. Honecker hat ja höchstpersönlich die Ermordung von Millionen Juden/Roma/Schwulen/Asozialen und politischen Gegnern angeordnet weil es Untermenschen waren...
Meistens versuche ich deine Ergüsse zu ignorieren, hier gelingt es mir nicht. Der Vergleich 3. Reich und DDR ergibt keine Gleichstellung der Lebensverhältnisse. Fakt.

Zur Diskussion: bitte weitermachen. Hier wird bei einem hochemotionalen Thema sehr sachlich argumentiert. Ich wünschte mir, dass auch nur 10% der Diskussionen im Internet so verlaufen würden, dann wäre viel gewonnen.
Ich bin auch der Meinung, dass sich am Ende immer Fakten durchsetzen und diese ein scharfes Schwert sind. Die Beschäftigung mit dem Thema und die zugehörige Recherche sind m. M. n.positiv zu bewerten und haben nichts mit Nestbeschmutzung zu tun.

Dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum Du die von Dir so gelobte Sachlichkeit mit dieser überspitzten Provokation zu zerschmettern versuchst. Also manchmal...

Man kann doch extremistische Diktaturen nicht in Zahlen gegeneinander aufrechnen. Sie sind und bleiben so oder so verbrecherisch.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2018, 11:57 von Dantel »
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Offline fairclough

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #49 am: 19. Oktober 2018, 12:04 »
Bei manchem hier geäußerten Unfug platzt einem halt auch mal der Kragen. Da kann ich den ersten teil des Beitrags von Harti irgendwie nachvollziehen. Ich knirsche dann aber doch meist erstmal mit den Zähnen und ignoriere sowas eher, weil manche Äußerungen eh durchblicken lassen, dass Gegenargumente nichts bringen und auch nicht gehört werden wollen.
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Offline derHarti

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #50 am: 19. Oktober 2018, 12:12 »
Dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum Du die von Dir so gelobte Sachlichkeit mit dieser überspitzten Provokation zu zerschmettern versuchst. Also manchmal...

Man kann doch extremistische Diktaturen nicht in Zahlen gegeneinander aufrechnen. Sie sind und bleiben so oder so verbrecherisch.

Gebe ich dir Recht, das wirkt nicht sehr konsistent, mir sind da dezent die Pferde durchgegangen.
Auch sind Diktaturen nicht rein durch Zahlen aufzurechnen und ich werde nicht die Erfahrungen der Menschen missachten die in Ihnen leben mussten aber diese zwei Diktaturen auf ein Niveau zu ziehen, das ist, sorry, unter aller Sau.

Offline Esca

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #51 am: 19. Oktober 2018, 12:19 »
Ich persönlich finde ein Nicht-Diskutieren gefährlicher bzw. würde dieses Ignorieren einen größeren Schatten erzeugen - vor allem in Anbetracht dessen, wofür die BSG Chemie steht und eintritt. Wichtige Schlagworte sind dabei Differenzierung und die Unschuldsvermutung.
Um es für mich abschließend zu formulieren: Ich finde es sinnvoll, der Sache nachzugehen bzw. darüber zu sprechen - gleichzeitig trage ich meinen Stoffbeutel mit Alfred Kunze im grünen Ehrenkranz stolz weiter, freue mich wenn die entsprechende Fahne im Block weht, trage das entsprechende T-Shirt mit seinem Konterfei und finde den akteullen Stand mit dem Stadionnamen bei gleichzeitiger Existenz der Tafel für Georg Schwarz ersteinmal unantastbar.

Sicherlich muss die Diskussion erlaubt sein. Die Frage ist wann, wo und sind wir uns der Konsequenzen bewusst welche sich durch eventuelle Nachforschungen ergeben könnten?
Stichwort FC St. Pauli nur als Beispiel.


3.Reich: systematischer Massenmord und brutaler Vernichtungskrieg
DDR: Unrechtsstaat und Unterdrückung

Das Eine macht das Andere nicht „besser“. Es gibt da aber schon gravierende Unterschiede.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2018, 12:23 von Esca »

Offline Dantel

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #52 am: 19. Oktober 2018, 12:36 »
Bei manchem hier geäußerten Unfug platzt einem halt auch mal der Kragen. Da kann ich den ersten teil des Beitrags von Harti irgendwie nachvollziehen. Ich knirsche dann aber doch meist erstmal mit den Zähnen und ignoriere sowas eher, weil manche Äußerungen eh durchblicken lassen, dass Gegenargumente nichts bringen und auch nicht gehört werden wollen.

Was man selbst erfahren hat wirkt stärker auf eine Persönlichkeit als das, was man gelesen hat oder was einem erzählt wurde. Es gibt kaum noch Menschen, die vom Leiden unter dem Nationalsozialismus berichten können, weil sie es erfahren mussten. Es gibt aber auch in unseren Reihen Leute, die sich noch sehr gut daran erinnern können, was ihnen in der DDR widerfahren ist, was sie durchlebt haben. Die Gefühle und Empfindungen, die daraus entstanden sind, sind stärker als die, die beim Lesen oder Hören entstehen. Das bewertet man dann auch unterschiedlich. Darin liegt die Krux. Und wenn man das nicht versteht, dann wahrscheinlich weil man weder das Eine noch das Andere erfahren hat. Darüber hinaus wiederhole ich mich:

Man kann extremistische Diktaturen nicht in Zahlen gegeneinander aufrechnen. Sie sind und bleiben so oder so verbrecherisch.

PS.: @derHarti: Ich freue mich über die teilweise Einsicht. Im Ergebnis kann man die beiden Diktaturen sicher nicht miteinander vergleichen, in ihrem Potential allerdings schon. Keiner von uns weiß, wie sich der Kommunismus ohne die Erfahrung des Nationalsozialismus entwickelt hätte.  Mielke hat gesagt "Ich liebe doch alle Menschen." Nach allem, was er getan oder veranlasst hatte, hat er das gesagt und wahrscheinlich auch geglaubt. Es kommt nur auf den Grad der extremistischen Verblendung an. Die Intention warum Extremisten Tötungen veranlassen, mag unterschiedlich sein. Das Ergebnis sind immer Opfer. Die Summe ist eine Frage der ausgewählten Feindbilder und der Möglichkeiten.
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Offline ChristianS

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Re: Re: Presse
« Antwort #53 am: 19. Oktober 2018, 12:40 »
Hallo zusammen,

ich habe nun alle Beiträge dieser aktuellen Diskussion in diesem neuen Thema zusammengeführt.

Schaut bitte noch einmal zurück auf diesen Beitrag:

Als studierter Historiker find' ich solche Themen - und ihre journalistische Aufarbeitung - immer interessant und würde mir dazu auch nochmal einen Kommentar erlauben. Zunächst einmal schreibt Herr Laurin (der Autor des Jungle-World Artikels) einfach nur recht pauschal, Alfred Kunze sei seit 1937 NSDAP-Mitglied gewesen. Diese Aussage belegt er nicht, was an sich erstmal OK ist, weil Fußnoten mit Quellenbelegen in Zeitungsartikeln halt unüblich sind, aber es gibt eben einen Unterschied zwischen einfachen Presseartikeln und wissenschaftlichen Fachtexten, und entsprechend unterschiedlich sind solche Texte auch zu gewichten. Nun bezweifle ich, dass Herr Laurin, der ja noch weitere Beispiele für von ihm behauptete Stadionbenennungen nach NSDAP-Mitgliedern anführt, in jedem einzelnen Fall in der NSDAP-Mitgliederkartei und der Gaukartei, die im Bundesarchiv vor Ort eingesehen werden können, recherchiert hat, sein impliziter Beleg scheint - ich lasse das unkommentiert - der Wiki-Artikel zu Alfred Kunze zu sein, in dem es im Abschnitt "Leben und Wirken" heißt: "Kunze war von 1937 bis 1945 Mitglied der NSDAP und Inspekteur bei der Wehrmacht" (aufgerufen am 4.10.2018). Belegt wird diese Äußerung durch einen Verweis auf folgendes Buch: Leske, Hanns: Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder. Der Einfluss der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Fussballsport in der DDR, 2. Aufl. Göttingen 2014 (in diesem Fall S. 268-269). Ich besitze das Buch nicht und es scheint auch derzeit vergriffen zu sein, wenn es hier jemanden gibt, der/die es hat, könnte er/sie ja mal reinschauen, ob es da einen belastbaren Quellenbeleg (Eintrag in der Mitgliederkartei, der Alfred Kunze mit Sicherheit zugeordnet werden kann) gibt. Würde mich interessieren.
 
Das wäre zumindest der erste Schritt, wenn dem so ist, müsste man natürlich in einem zweiten Schritt prüfen, ob sich anhand von Quellen nachweisen lässt, dass Kunze in der Partei mehr war als eine Karteileiche.

Anderseits zeigt es natürlich auch geradezu exemplarisch, wie kompliziert Geschichtsbewusstsein und kollektives Gedächtnis funktionieren. Als Historiker würde man analytisch unterscheiden zwischen einer historischen Person "Alfred Kunze", die es faktisch zwar gegeben hat, der wir uns aber nur durch Quellenstudium, Zeitzeugenbefragung u.ä. "annähern" können, ohne sie je in jeder Hinsicht erfassen zu können, einerseits und der im kollektiven Gedächtnis imaginierten Person "Alfred Kunze", die an das historische Faktum der Meisterschaft von 1964 und ihre - aus einer bestimmten Perspektive empfundenen - Begleitumstände anknüpfend zur Projektionsfläche aller möglichen für den Verein und seine Fans sinnstiftende Ideale geworden ist, anderseits. Dabei geht es aber nicht darum - das wird nämlich von Nicht-Historikern oft missverstanden! -, zu sagen, dass das eine "richtig" und das andere "falsch" ist, sondern eher, zwei (oder besser: mehrere) verschiedene Ebenen von "Realität" zu unterscheiden und sie nicht zu vermengen. Selbst wenn Alfred Kunze (die historische Person) in der NSDAP ein wirklich aktives Parteimitglied war, ist das Stadion in Leutzsch ja nicht deswegen nach ihm benannt, die Bennenung bezieht eben sich ganz eindeutig auf den "Alfred Kunze", der im kollektiven Gedächtnis der Chemie-Anhänger konstruiert wurde, nämlich im Wesentlichen den Meistertrainer von 1964 und die mit ihm vage assoziierten "Leutzscher Tugenden". Den Fehler, diese Ebenen zu vermischen, muss man Herrn Laurin, der offenbar kein Historiker ist ;-), schon attestieren, weil sich sein Artikel für jemanden, der mit dem Leipziger Fußball nichts zu tun hat, so liest, als sei die Stadionbenennung ein Zeichen dafür, dass Chemie ein Nazi-Verein sei. Richtig ist ganz evident das Gegenteil.

Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier die Absicht hat, Denkmäler in Leutzsch einzureißen. Es geht vielmehr darum, sich mit einem schwierigen und natürlich auch ein Stück weit unangenehmen Thema auseinanderzusetzen und herauszufinden, wer die historische Person Alfred Kunze war.

Ich kann deshalb nur an alle appellieren, hier weiterhin so besonnen zu diskutieren. Bitte lasst die persönlichen Angriffe gar nicht erst aufkommen. Danke!

Was ich hier nicht machen werde, ist dieses Thema zu schließen oder zu sperren. Unangenehme Themen muss man diskutieren können. Sie zu unterdrücken halte ich für falsch.
„In schlechten Zeiten müsst ihr Chemiker sein. In guten haben wir genug davon.“
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Offline Double1982

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #54 am: 19. Oktober 2018, 13:16 »
Aber dann bitte  ! den Thread nur mit fundierten Fakten weiterführen (Quellen , Nachweise, Bild oder Dokumente )  und nicht spekulativ oder  emotional ohne jeden Nachweis von Behauptungen , das währe alles andere als sachlich und  gut .Und schon gar nich mit dem  SSV Stötteritz  , der von Kloisten geführt wird .
Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern .

Offline derHarti

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #55 am: 19. Oktober 2018, 14:00 »
Was man selbst erfahren hat wirkt stärker auf eine Persönlichkeit als das, was man gelesen hat oder was einem erzählt wurde. Es gibt kaum noch Menschen, die vom Leiden unter dem Nationalsozialismus berichten können, weil sie es erfahren mussten. Es gibt aber auch in unseren Reihen Leute, die sich noch sehr gut daran erinnern können, was ihnen in der DDR widerfahren ist, was sie durchlebt haben. Die Gefühle und Empfindungen, die daraus entstanden sind, sind stärker als die, die beim Lesen oder Hören entstehen. Das bewertet man dann auch unterschiedlich. Darin liegt die Krux. Und wenn man das nicht versteht, dann wahrscheinlich weil man weder das Eine noch das Andere erfahren hat. Darüber hinaus wiederhole ich mich:

Man kann extremistische Diktaturen nicht in Zahlen gegeneinander aufrechnen. Sie sind und bleiben so oder so verbrecherisch.

PS.: @derHarti: Ich freue mich über die teilweise Einsicht. Im Ergebnis kann man die beiden Diktaturen sicher nicht miteinander vergleichen, in ihrem Potential allerdings schon. Keiner von uns weiß, wie sich der Kommunismus ohne die Erfahrung des Nationalsozialismus entwickelt hätte.  Mielke hat gesagt "Ich liebe doch alle Menschen." Nach allem, was er getan oder veranlasst hatte, hat er das gesagt und wahrscheinlich auch geglaubt. Es kommt nur auf den Grad der extremistischen Verblendung an. Die Intention warum Extremisten Tötungen veranlassen, mag unterschiedlich sein. Das Ergebnis sind immer Opfer. Die Summe ist eine Frage der ausgewählten Feindbilder und der Möglichkeiten.

Hier bin ich gegensätzlicher Meinung. Die Ideologie des Nationalsozialismus vertrat/vertritt grundsätzlich die Ungleichheit/Unwertigkeit von Menschen. Der Millionenfache Mord ist somit folgerichtig, moralisch legitimiert und führte als letzte Konsequenz zu industriellen Tötung von Menschen.
Eine große Machtkonzentration birgt immer das Potential einer Diktatur, da gehe ich mit. Der Nationalsozialismus birgt kein Potential, dort ist die Diktatur systemimmanent.

Offline Esca

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #56 am: 19. Oktober 2018, 14:11 »
Der Nationalsozialismus vermischt Ideologie mit Darwinistischen Thesen, Rassenlehre und ein Stück weit Religion. Garniert mit sozialen Eckpfeilern.
Der Mensch ist nur was Wert wenn er stark, mutig, gesund und vor allem deutsch bzw. arisch ist.
Man grenzt aus, man selektiert und jeder der nicht dazu gehört ist minderwertig, ja nichts Wert und hat zu sterben. Der fremde wie der eigene Tod wird einfach hingenommen.

Online thommy

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #57 am: 19. Oktober 2018, 14:16 »
@derHarti

Ich verachte den Nationalsozialismus zutiefst. Aber wo liegt Deiner Meinung nach der Unterschied zum verbrecherischen Stalinismus, einem Menschen, der ebenfalls millionenfach gemordet hat und auf den man sich trotz dessen noch viele Jahre nach Gründung der DDR berief und dessen Erbe man weiterführen wollte ?
Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der Andere könnte am Ende vielleicht doch Recht haben.

Offline Dantel

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #58 am: 19. Oktober 2018, 14:38 »
Hier bin ich gegensätzlicher Meinung. Die Ideologie des Nationalsozialismus vertrat/vertritt grundsätzlich die Ungleichheit/Unwertigkeit von Menschen. Der Millionenfache Mord ist somit folgerichtig, moralisch legitimiert und führte als letzte Konsequenz zu industriellen Tötung von Menschen.

Das kann man so sehen. Oder besser: Es ist schwer, das nicht so zu sehen. Keine Frage, dass der Rassismus als Standbein des Nationalsozialismus und die Konsequenzen daraus das Volumen der Verbrechen derart in die Höhe geschraubt haben, dass man eigentlich ein neues Wort dafür erfinden müsste. Da bin ich bei Dir.



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Offline Esca

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #59 am: 19. Oktober 2018, 14:43 »
@derHarti

Ich verachte den Nationalsozialismus zutiefst. Aber wo liegt Deiner Meinung nach der Unterschied zum verbrecherischen Stalinismus, einem Menschen, der ebenfalls millionenfach gemordet hat und auf den man sich trotz dessen noch viele Jahre nach Gründung der DDR berief und dessen Erbe man weiterführen wollte ?

Das hat ja selbst die Sowjetunion unter Chrustschow verstanden und Stalin soweit es ging getilgt.
Für mich hat der Stalinismus mit seinen Gulags, dem NKWD und den sibirischen Folterlagern nichts mit der Idee des Kommunismus zu tun! Der Stalinismus tritt den Kommunismus und die Idee eines Karl Marx mit Füßen. Und die DDR hatte auch nichts mit Sozialismus zu tun! Man kann Menschen nicht unterjochen, einsperren und versklaven. Das haben alle Diktaturen gemein. Unterdrückung!

Stalin hatte nur Glück das es zu jener Zeit mit Hitler und Mussolini noch zwei schlimmere Verbrecher in Europa gab.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2018, 14:46 von Esca »