Autor Thema: Alfred Kunze  (Gelesen 17900 mal)

Online thommy

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Re: Re: Presse
« Antwort #15 am: 05. Oktober 2018, 10:28 »
Vieles ist schon richtig resümiert worden.

Es ist so herrlich einfach 90 Jahre nach der dunkelsten Zeit Deutschlands sesselfurzend und mit vollgefressenem Bauch die die damalige Lage zu analysieren ( oder es zu versuchen ). Kein nicht wirklich dabei Gewesener kann die Verzweiflung, den Hunger, die fehlenden Zukunftsaussichten der damaligen Zeit wirklich beurteilen und nachfühlen. Das dann letztendlich viele auf den vermeintlichen „Retter“ hereingefallen sind, der es tatsächlich vorerst schaffte Deutschland aus der Krise zu holen ist allzu menschlich. Und seid doch mal ehrlich mit Euch selbst, jeder hat irgendwo in seiner eigenen Vorfahrenslinie Leute dabei die Mitglied oder zumindest Symphatisant der NSDAP waren.

Wichtig ist es in der Tat, AKTIV Beteiligte an diesem menschenverachtendem System immer wieder namentlich zu benennen und die Greueltaten immer wieder Mahnung sein zu lassen, dass sich so etwas nie wieder wiederholen möge !

Verallgemeinerungen nützen jedenfalls gar keinem etwas und lassen dieses sensible Thema immer wieder nur unnötig in eine falsche Richtung laufen.
Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der Andere könnte am Ende vielleicht doch Recht haben.

Offline Sündenbock

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Re: Re: Presse
« Antwort #16 am: 05. Oktober 2018, 11:12 »
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht! Ich finde, über solche Personen sollte mindestens diskutiert werden und das ganze nicht mit "Schnee von Gestern" oder als "Jugendsünden" abgetan werden.

Macht auch keiner. Hysterie ist aber auch die falsche Antwort.

Bezogen auf den Nationalsozialismus besteht hier allein schon die Frage ob und inwieweit diese Personen in NS-Verbrechen verstrickt waren.

Nun, mir sind derzeit nur zwei Sekundärquellen bekannt. Der Wikipedia-Artikel zu Alfred Kunze sowie das Buch:

Hanns Leske: Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder: der Einfluss der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit auf den Fussballsport in der DDR. Die Werkstatt 2014. S. 268f.

Wikipedia bezieht sich auf dieses Werk. Man müsste im Buch prüfen, woher dieses seine Informationen bezieht und dann entsprechend weiterrecherchieren.

Zumindest naheliegend ist, dass der Autor Einsicht in Stasiakten genommen hat und dort auf diese Information gestoßen ist. Die Stasi war bekanntlich gut informiert über Rolle und Wirken von (Ex-)Angehörigen von NS-Organisationen. Es ist folglich davon auszugehen, dass die Person, die es für unbedingt geboten befand, die NSDAP-Mitgliedschaft Alfred Kunzes in dessen Wikipedia-Artikel zu erwähnen, keine Sekunde gezögert hätte, etwaige Verstrickungen in NS-Verbrechen ebenfalls zu thematisieren.

Hinzu kommt noch, dass der Umstand ihrer sehr häufig freiwilligen Mitgliedschaft in NS-Organisationen bis eben hin zur SS einen erheblichen Beitrag zur Stabilität des NS-Staates beigetragen hat und damit einen gewisse Mitschuld nicht zu leugnen ist.

Wie genau "freiwillig" im NS-Kontext zu definieren ist, darüber gibt es mit Sicherheit unterschiedliche Auffassungen. Selbiges gilt auch für andere totalitäre Staaten.

Wie die entsprechenden Personen ihr eigenes Handeln nach 1945 bewertet und reflektiert haben, ist die eine Frage. Die andere Frage ist die nach der Benennung öffentlicher Plätze, Gebäude und damit auch Fussballstadien oder auch das Verankern ihrer kulturellen Werke in einer sogenannten deutschen "Leitkultur".

Wenn ein späterer CDU-Ministerpräsident während der NS-Zeit als Marinerichter Todesurteile zu fällen pflegte, würde ich dir in Bezug auf die Benennung von Straßen, öffentlichen Plätzen etc. absolut zustimmen. Nur war Alfred Kunze kein Richter, kein Henker und zumindest nach derzeitigem Kenntnisstand kein Folterknecht, sondern vor allem Fußballlehrer. Offenbar sah selbst die gegen NS-Verbrecher verhältnismäßig rigoros vorgehende DDR-Justiz keinen Anlass, Alfred Kunze vom Mitwirken im DDR-Sportwesen auszuschließen.
« Letzte Änderung: 05. Oktober 2018, 11:22 von Sündenbock »

Offline fairclough

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Re: Re: Presse
« Antwort #17 am: 05. Oktober 2018, 11:20 »
Das was ich geschrieben habe, bezieht sich nicht allein auf Alfred Kunze. D.h. ich stelle hier nicht den Namen des AKS in Frage. Mir ging es lediglich darum anzumerken, dass über so etwas gesprochen werden sollte. Was wir hier ja auch machen.
Bezüglich der Freiwilligkeit ist das in der Tat so eine Sache. Die Mitgliederzahlen der NSDAP legen jedoch den Schluss nahe, dass es für die meisten alles andere als ein Muss gewesen ist, in die Partei einzutreten. Nur mal so am Rande erwähnt. Wie die persönlichen Umstande jedes Einzelnen waren, steht auf einem anderen Blatt!
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Offline Sündenbock

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Re: Re: Presse
« Antwort #18 am: 05. Oktober 2018, 11:27 »
Damit gehe ich gern d'accord. Ich bin auch eher ein Freund davon, offen über die Dinge zu reden. Verschweigen bringt mittel- bis langfristig ohnehin nichts. Irgendwann wird es halt doch thematisiert, in diesem Falle leider aus dem hohen Elfenbeinturme des Ruhrbarons.

Offline Esca

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Re: Re: Presse
« Antwort #19 am: 05. Oktober 2018, 12:32 »
Wir werden uns in jedem Fall damit auseinander zu setzen haben. Sachlich, fair und reflektiert!
Ich denke aber nicht das wir klug beraten sind wenn wir eine so zentrale Figur wie Alfred Kunze, auf Grund einer unbewiesenen Äußerung in einem Zeitungsartikel, selber demontieren. Gerade auch mit Blick auf unsere Meisterelf. Die Jungs sind eben nicht mehr die Jüngsten und sie verehren wie wir alle ihren und unseren Meistertrainer Alfred Kunze. Solange nichts bewiesen ist gilt die Unschuldsvermutung!
Sollte doch etwas dran sein so hoffe ich inständig das er, wie viele, einfach nur eine „Karteileiche“ war. Das würde es nicht besser, aber etwas erträglicher machen.
« Letzte Änderung: 05. Oktober 2018, 13:31 von Esca »

Offline Frau Suhrbier

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Re: Re: Presse
« Antwort #20 am: 05. Oktober 2018, 13:15 »
Ich bin positiv überrascht wie sachlich über diesen Artikel diskutiert wird.  :daumen:

Bin persönlich kein Freund von der Jungle World, lese dann doch lieber die TAZ.
Zur Zeitung sei gesagt, das Sie nur eine Auflage von ca. 11.500 Exemplaren hat.
Bekanntheit hat sie erhalten durch bashing anderer Zeitungen (bevorzugt die junge Welt) und innerer Machtkämpfe in der Redaktion.
http://https://www.neues-deutschland.de/artikel/1053333.glueckwunsch-jungle-world-ihr-spielverderber.html

Mir hat der Artikel zu wenig Inhalt und verallgemeinert mir ein Problem was existiert.
Damit beziehe ich mich auf Dresden, die Person Rudolf Harbig sollte man doch sehr kritisch sehen.

Zur Alfred Kunze sollte noch erwähnt sein das er bis zur Auflösung 1933, beim Arbeitersportverein Südost mit seinem Bruder gespielt hat.

Ich selber bin sehr Interessiert an der Geschichte unseres Vereines und freue mich über eine Aufarbeitung. Doch sollten wir solch einen Artikel nicht überbewerten.

Offline Almir

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Re: Re: Presse
« Antwort #21 am: 05. Oktober 2018, 14:00 »
Also ich bin auch vollkommen gegen jede Hysterie, wir wissen ja nicht Mal ob es stimmt. Insofern erst Mal schauen ob sich überhaupt etwas in Erfahrung bringen lässt. Wenn dem nicht so ist, dann kann man das Thema auch Thema sein lassen.
Wie genau "freiwillig" im NS-Kontext zu definieren ist, darüber gibt es mit Sicherheit unterschiedliche Auffassungen. Selbiges gilt auch für andere totalitäre Staaten.

Nur eine generelle Anmerkung bezogen auf ein paar Äußerungen hier: Wir sollten jetzt nicht, nur weil die Diskussion eine von uns verehrte Person betrifft, Argumente bringen die wir anderen auch nicht durchgehen lassen würden. Daher unabhängig von Alfred Kunze:
NSDAP-Mitgliedschaft ist Scheiße, erst Recht wer vielleicht erst 1937 eingetreten ist. Punkt.
Es gibt genug Beispiele von Leuten die es anders gemacht haben, ohne gleich in den aktiven Widerstand zu gehen.

Offline Waldstraßenchemiker

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Re: Re: Presse
« Antwort #22 am: 05. Oktober 2018, 14:07 »
@waldstraßenchemiker: In der NSDAP-Mitglieder-Kartei in Berlin ist er nicht aufgeführt! Hatte da selbst mal nachgeschaut und ihn nicht gefunden. Das besagte Buch ist zwar vergriffen, kann aber in der Zweigbibliothek Sportwissenschaften im Campus Jahn-Allee eingesehen werden. Das will ich schon ewig mal machen, bin aber noch nicht dazu gekommen.

Edit: Nachtrag - die NSDAP-Mitglieder-Kartei ist jedoch nicht vollständig. D.h. dass der Umstand, Kunze ist dort nicht aufgeführt, im Umkehrschluss nicht unbedingt bedeutet, er war nie Mitglied. Ich vermute fast, der Autor des Buches bezieht sich auf einen MfS-Akte über Alfred Kunze.

Das ist korrekt, es sind nur ca. 90% aller Mitgliedschaftseinträge erhalten, es ist also theoretisch möglich - wenn auch im Einzelfall eher unwahrscheinlich-, dass eine Person dort nicht auftaucht aber trotzdem Parteimitglied war. Ein Eintrag in der Stasi-Akte wäre aber schon ein weniger belastbarer Quellenbeleg, weil Stasi-Akten für die NS-Zeit - logischerweise - nicht zeitgenössisch sind und sich die Frage stellt, woher der jeweilige Stasi-Agent, der die Akte geführt hat, wissen wollte, dass Alfred Kunze NSDAP-Mitglied war, wenn in der Mitgliederkartei kein Eintrag vorhanden war (Die teilweise Vernichtung der Kartei war schon 1945 erfolgt). Außerdem sind, das muss man nicht näher erläutern, Stasi-Akten keine "neutralen Dokumente" sondern haben eine Darstellungsabsicht, die nicht selten darin besteht, die jeweilige Person als "politisch unzuverlässig" erscheinen zu lassen. Die Behauptung einer NSDAP-Mitgliedschaft liegt dabei nahe.

Es wäre ja durchaus ein Ergebnis, wenn man nach einem Blick in das Leske-Buch und entsprechenden weitere Recherchen zu dem Ergebnis käme, dass eine NSDAP-Mitgliedschaft Alfred Kunzes zwar möglich aber nicht mit Sicherheit zu verifizieren ist und sich ansonsten keine Belege für eine politische Betätigung im Sinne des NS-Staates nachweisen lässt (dass er in der Wehrmacht war, sagt nichts, es galt damals eine Wehrpflicht wie bei uns bis vor 8 Jahren auch noch, sodass eine Angehörigkeit zur Wehrmacht keinesfalls als politisches Engagement gewertet werden kann. Mit der SS sieht es anders aus, da gab es nur freiwillige Mitglieder). Das würde nach meinem Empfinden ausreichen, um von einer eventuellen Umbenennung des Stadions, die Laurin ja implizit fordert, abzusehen.

Ich finde es wie andere schon gesagt haben, absolut richtig, solche Dinge zu debattieren, in angemessener Form und ohne Schaum vorm Mund. Wenn alle Debatten in unserer Gesellschaft so wie diese hier im Forum ablaufen würden, hätten wir weniger Probleme. :daumen:
« Letzte Änderung: 05. Oktober 2018, 14:12 von Waldstraßenchemiker »

Online thommy

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Re: Re: Presse
« Antwort #23 am: 05. Oktober 2018, 14:33 »
NSDAP-Mitgliedschaft ist Scheiße, erst Recht wer vielleicht erst 1937 eingetreten ist. Punkt.

JA, es war mit heutigem Wissen was wir haben Scheisse !!! Aber Du hast genauso wenig wie ich jahrelangen Hunger kennengelernt, oder musstest permanent davor Angst haben eventuell kein Dach mehr über dem Kopf zu haben, Deinen Kindern keine Perspektive für ihr Leben aufzeigen zu können etc. pp

Die NSDAP hatte 1933 bereits fast 4 Millionen Mitglieder, und neben vielen späteren Verbrechern  :violent-smiley-007: waren da auch ganz viele einfache Leute dabei die einfach nur froh waren dass es wieder was zu essen gab, das sie wieder einen Arbeitsplatz hatten usw.

Wir haben einfach kein Recht voller Arroganz die Leute in der beschissenen damaligen Lage als dumm oder gar überzeugte Nazis zu bezeichnen, die alles später dagewesene Schlimme bewusst gewollt haben.
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Offline Esca

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Re: Re: Presse
« Antwort #24 am: 05. Oktober 2018, 15:35 »
Das ist korrekt, es sind nur ca. 90% aller Mitgliedschaftseinträge erhalten, es ist also theoretisch möglich - wenn auch im Einzelfall eher unwahrscheinlich-, dass eine Person dort nicht auftaucht aber trotzdem Parteimitglied war. Ein Eintrag in der Stasi-Akte wäre aber schon ein weniger belastbarer Quellenbeleg, weil Stasi-Akten für die NS-Zeit - logischerweise - nicht zeitgenössisch sind und sich die Frage stellt, woher der jeweilige Stasi-Agent, der die Akte geführt hat, wissen wollte, dass Alfred Kunze NSDAP-Mitglied war, wenn in der Mitgliederkartei kein Eintrag vorhanden war (Die teilweise Vernichtung der Kartei war schon 1945 erfolgt). Außerdem sind, das muss man nicht näher erläutern, Stasi-Akten keine "neutralen Dokumente" sondern haben eine Darstellungsabsicht, die nicht selten darin besteht, die jeweilige Person als "politisch unzuverlässig" erscheinen zu lassen. Die Behauptung einer NSDAP-Mitgliedschaft liegt dabei nahe.

Es wäre ja durchaus ein Ergebnis, wenn man nach einem Blick in das Leske-Buch und entsprechenden weitere Recherchen zu dem Ergebnis käme, dass eine NSDAP-Mitgliedschaft Alfred Kunzes zwar möglich aber nicht mit Sicherheit zu verifizieren ist und sich ansonsten keine Belege für eine politische Betätigung im Sinne des NS-Staates nachweisen lässt (dass er in der Wehrmacht war, sagt nichts, es galt damals eine Wehrpflicht wie bei uns bis vor 8 Jahren auch noch, sodass eine Angehörigkeit zur Wehrmacht keinesfalls als politisches Engagement gewertet werden kann. Mit der SS sieht es anders aus, da gab es nur freiwillige Mitglieder). Das würde nach meinem Empfinden ausreichen, um von einer eventuellen Umbenennung des Stadions, die Laurin ja implizit fordert, abzusehen.

Ich finde es wie andere schon gesagt haben, absolut richtig, solche Dinge zu debattieren, in angemessener Form und ohne Schaum vorm Mund. Wenn alle Debatten in unserer Gesellschaft so wie diese hier im Forum ablaufen würden, hätten wir weniger Probleme. :daumen:

Ich muss dir in einem Punkt auf Grund der historischen Richtigkeit widersprechen. Mit dem Jahre 1943 und spätens seit der Ausrufung des „Totalen Kriegseinsatzes“ ging der Waffen-SS der „Elitestatus“ peu a peu verloren. Es wurde dort nicht mehr nach „Rassemerkmalen“ (dieser ganze Ariermist) und Freiwilligkeit eingezogen sondern dort eingezogen wo schlichtweg Bedarf war. Auch als Wehrpflichtiger konnte man dort landen, da bspw. die Mehrzahl der Panzerverbände SS-Verbände waren. Dies ist z.B. Herrn Grass passiert... So konnte es passieren das sogar Regimekritiker als Wehrpflichtige plötzlich in vermeintlichen Eliteverbänden der Waffen-SS eingesetzt wurden. Nicht umsonst gab es sogar ausländische Verbände welche sich wiederum auf Freiwilligkeit ihrer Mitglieder stützten. Niederländer, Dänen, Franzosen, Letten und Esten taten sich dabei trauriger Weise sehr hervor. Die Waffen-SS war zwar Teil der „normalen“ SS und daher in Greultaten und schwerste Kriegsverbrechen (z.B. Malmedy) hinter und an der Front viel stärker verwickelt als „normale“ Wehrmachtsverbände, jedoch waren sie militärisch der Wehrmachtsführung als offizielle Kampfverbände innerhalb der Wehrmacht unterstellt. Das nur mal zur historischen Einordnung um Konfusionen über „Zuständigkeiten“ der einzelnen Organisationen zu vermeiden.

Was die NSDAP-Mitgliedschaften angeht so muss man leider konstatieren das nahezu jedwede Mitgliedschaft vor Kriegsausbruch 1939 wohl auf Freiwilligkeit basierte.

Ich hatte über den ganzen Mist zu Schulzeiten eine Jahresabschlussarbeit schreiben müssen.

« Letzte Änderung: 05. Oktober 2018, 18:39 von Esca »

Offline Almir

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Re: Re: Presse
« Antwort #25 am: 05. Oktober 2018, 16:46 »
JA, es war mit heutigem Wissen was wir haben Scheisse !!! Aber Du hast genauso wenig wie ich jahrelangen Hunger kennengelernt, oder musstest permanent davor Angst haben eventuell kein Dach mehr über dem Kopf zu haben, Deinen Kindern keine Perspektive für ihr Leben aufzeigen zu können etc. pp

Die NSDAP hatte 1933 bereits fast 4 Millionen Mitglieder, und neben vielen späteren Verbrechern  :violent-smiley-007: waren da auch ganz viele einfache Leute dabei die einfach nur froh waren dass es wieder was zu essen gab, das sie wieder einen Arbeitsplatz hatten usw.

Wir haben einfach kein Recht voller Arroganz die Leute in der beschissenen damaligen Lage als dumm oder gar überzeugte Nazis zu bezeichnen, die alles später dagewesene Schlimme bewusst gewollt haben.

Sehe das etwas anders.
Nein, ich habe nicht jahrelangen Hunger kennengelernt, aber es gab genug Leute, die hatten Hunger, Angst, Zukunftssorgen und sind nicht in die NSDAP eingetreten (oder in anderen Staaten zu anderen Zeiten in andere Systemparteien), und dazu mussten sie keine Helden sein. Ich spreche niemanden ab, dass er aus gewichtigen (persönlichen) Gründen so gehandelt hat, dennoch zieht das als Entschuldigung wegen bekannter Gegenbeispiele nicht. Jeder Mensch hatte auch damals einen eigenen Kopf zum Denken und jeder der die Augen aufgemacht hat, hat spätestens nach 1933 gesehen was abgeht und hätte (ohne wirkliche negative Konsequenzen) sich der aktiven Mitwirkung verweigern können.
Und auch wenn es nur bedingt vergleichbar ist, ich habe in meinem Verwandtenkreis die ehemaligen SED-Leute satt, die mir immer wieder erklären, sie mussten ja (freiwillig!) in die SED eintreten, weil ansonsten sie und ihre Kinder schlechte Aussichten in der DDR gehäbt hätten. Und das sagen sie meinen anderen Verwandten ins Gesicht, die wegen der SED-Herrschaft bespitzelt wurden und im Knast saßen.

Sorry :victory:, hat mit Chemie gar nicht mehr so viel zu tun, und ob es überhaupt mit Alfred was zu tun hat wissen wir auch nicht...
« Letzte Änderung: 05. Oktober 2018, 16:49 von Almir »

Offline Waldstraßenchemiker

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Re: Re: Presse
« Antwort #26 am: 05. Oktober 2018, 20:32 »
Ich muss dir in einem Punkt auf Grund der historischen Richtigkeit widersprechen. Mit dem Jahre 1943 und spätens seit der Ausrufung des „Totalen Kriegseinsatzes“ ging der Waffen-SS der „Elitestatus“ peu a peu verloren. Es wurde dort nicht mehr nach „Rassemerkmalen“ (dieser ganze Ariermist) und Freiwilligkeit eingezogen sondern dort eingezogen wo schlichtweg Bedarf war. Auch als Wehrpflichtiger konnte man dort landen, da bspw. die Mehrzahl der Panzerverbände SS-Verbände waren. Dies ist z.B. Herrn Grass passiert... So konnte es passieren das sogar Regimekritiker als Wehrpflichtige plötzlich in vermeintlichen Eliteverbänden der Waffen-SS eingesetzt wurden. Nicht umsonst gab es sogar ausländische Verbände welche sich wiederum auf Freiwilligkeit ihrer Mitglieder stützten. Niederländer, Dänen, Franzosen, Letten und Esten taten sich dabei trauriger Weise sehr hervor. Die Waffen-SS war zwar Teil der „normalen“ SS und daher in Greultaten und schwerste Kriegsverbrechen (z.B. Malmedy) hinter und an der Front viel stärker verwickelt als „normale“ Wehrmachtsverbände, jedoch waren sie militärisch der Wehrmachtsführung als offizielle Kampfverbände innerhalb der Wehrmacht unterstellt. Das nur mal zur historischen Einordnung um Konfusionen über „Zuständigkeiten“ der einzelnen Organisationen zu vermeiden.

Was die NSDAP-Mitgliedschaften angeht so muss man leider konstatieren das nahezu jedwede Mitgliedschaft vor Kriegsausbruch 1939 wohl auf Freiwilligkeit basierte.

Ich hatte über den ganzen Mist zu Schulzeiten eine Jahresabschlussarbeit schreiben müssen.

Der Günther Grass-Skandal bestand ja gerade darin, dass er sich für die Waffen-SS damals freiwillig gemeldet hatte, die Waffen-SS hat bis Kriegsende nur Freiwillige aufgenommen, auch wenn in den Wirren der Entnazifizierung oft anderes behauptet wurde aus naheliegenden Gründen (klassische Schutzbehauptung). Grass hat die Freiwilligkeit seiner Waffen-SS-Mitgliedschaft übrigens nie bestritten, sondern eingeräumt, dass er sie mit 17 Jahren als Jugendlicher einfach für eine Eliteeinheit gehalten habe, in der eine Mitgliedschaft anstrebenswert wäre.

Dasselbe gilt auch für die NSDAP-Mitgliedschaft, in der Geschichtswissenschaft gibt es einen weitgehenden Konsens darüber, dass es abgesehen von vielleicht einigen ganz ganz wenigen Ausnahmen keine Aufnahmen in die Partei gegen den Willen der Betroffenen gegeben hat und das bis in die letzten Kriegstage 1945. Die angeblichen Aufnahmen in die NSDAP ohne Wissen oder der Betroffenen oder unter Zwang sind zu 99,9% ein Mythos der Entnazifizierungszeit und ebenfalls als Schutzbehauptung zu bewerten.

Das ist alles intensiv erforscht worden, viel intensiver als die meisten anderen Kapitel der deutschen/europäischen Geschichte.

Offline Esca

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Re: Re: Presse
« Antwort #27 am: 05. Oktober 2018, 22:19 »
Der Günther Grass-Skandal bestand ja gerade darin, dass er sich für die Waffen-SS damals freiwillig gemeldet hatte, die Waffen-SS hat bis Kriegsende nur Freiwillige aufgenommen, auch wenn in den Wirren der Entnazifizierung oft anderes behauptet wurde aus naheliegenden Gründen (klassische Schutzbehauptung). Grass hat die Freiwilligkeit seiner Waffen-SS-Mitgliedschaft übrigens nie bestritten, sondern eingeräumt, dass er sie mit 17 Jahren als Jugendlicher einfach für eine Eliteeinheit gehalten habe, in der eine Mitgliedschaft anstrebenswert wäre.

Dasselbe gilt auch für die NSDAP-Mitgliedschaft, in der Geschichtswissenschaft gibt es einen weitgehenden Konsens darüber, dass es abgesehen von vielleicht einigen ganz ganz wenigen Ausnahmen keine Aufnahmen in die Partei gegen den Willen der Betroffenen gegeben hat und das bis in die letzten Kriegstage 1945. Die angeblichen Aufnahmen in die NSDAP ohne Wissen oder der Betroffenen oder unter Zwang sind zu 99,9% ein Mythos der Entnazifizierungszeit und ebenfalls als Schutzbehauptung zu bewerten.

Das ist alles intensiv erforscht worden, viel intensiver als die meisten anderen Kapitel der deutschen/europäischen Geschichte.

Das ist mir in der Tat absolut neu, da ich zur Zeit dieses Skandals einen sehr ausführlichen Zeitungsartikel las (war es die FAZ???) welcher eine eher gegenteilige Darstellung beinhaltet hatte.
Ergo er wäre noch als halbes Kind gezogen worden und eher zufällig dort gelandet, wenn es denn sowas wie Zufall gab. Das Blatt mit den 4 Buchstaben hatte ihn dagegen tagelang zerrissen. Da war er wohlbemerkt längst verstorben wenn ich es richtig in Erinnerung habe.

Offline Waldstraßenchemiker

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Re: Re: Presse
« Antwort #28 am: 05. Oktober 2018, 23:33 »
Das ist mir in der Tat absolut neu, da ich zur Zeit dieses Skandals einen sehr ausführlichen Zeitungsartikel las (war es die FAZ???) welcher eine eher gegenteilige Darstellung beinhaltet hatte.
Ergo er wäre noch als halbes Kind gezogen worden und eher zufällig dort gelandet, wenn es denn sowas wie Zufall gab. Das Blatt mit den 4 Buchstaben hatte ihn dagegen tagelang zerrissen. Da war er wohlbemerkt längst verstorben wenn ich es richtig in Erinnerung habe.

Grass hat sich im Rahmen der Veröffentlichung seines Romans "Beim Häuten der Zwiebel" im Jahr 2006 sozusagen "geoutet". Der Skandal bestand eben darin, dass er in der Waffen-SS war und nicht in der Wehrmacht, was seine freiwillige Meldung voraussetzt (eingezogen wurde man nur in die Wehrmacht), die er auch eingeräumt hat und mit jugendlicher Verblendung (er war damals wie gesagt 17 Jahre alt, also kein "halbes Kind" aber auch sicher kein Erwachsenener) erklärt hat. Mit Zufall hatte das aber nichts zu tun, niemand ist zufällig in der Waffen-SS gelandet, das ist unter Wissenschaftlern meines Wissens Konsens. Wieviel man auf die Handlungen eines 17jährigen geben muss, ist eine andere (und berechtigte) Frage.

Offline Esca

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Re: Re: Presse
« Antwort #29 am: 06. Oktober 2018, 10:04 »
Grass hat sich im Rahmen der Veröffentlichung seines Romans "Beim Häuten der Zwiebel" im Jahr 2006 sozusagen "geoutet". Der Skandal bestand eben darin, dass er in der Waffen-SS war und nicht in der Wehrmacht, was seine freiwillige Meldung voraussetzt (eingezogen wurde man nur in die Wehrmacht), die er auch eingeräumt hat und mit jugendlicher Verblendung (er war damals wie gesagt 17 Jahre alt, also kein "halbes Kind" aber auch sicher kein Erwachsenener) erklärt hat. Mit Zufall hatte das aber nichts zu tun, niemand ist zufällig in der Waffen-SS gelandet, das ist unter Wissenschaftlern meines Wissens Konsens. Wieviel man auf die Handlungen eines 17jährigen geben muss, ist eine andere (und berechtigte) Frage.

Um das Thema mal zu beenden.
Wikipedia sagt da bezüglich Grass und der „SS-Panzerdivision Frundsberg“ was anderes.
Das ist wohl auch eher ein Thema für den Geschichtsunterricht. Man sieht aber daran wie kontrovers das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte noch heute diskutiert wird. Es ist auch nicht leicht dieses Ausmaß an Wahnsinn zu begreifen.

« Letzte Änderung: 06. Oktober 2018, 10:11 von Esca »