Autor Thema: Alfred Kunze  (Gelesen 17766 mal)

Online thommy

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #60 am: 19. Oktober 2018, 15:03 »
Esca, das würde ich so nicht ganz unterschreiben wollen.

Sehr viele stramm überzeugte Kommunisten der KPD der 40-und frühen 50-er Jahre, welche sich sehr wohl auf das Erbe von Marx und Engels beriefen, haben die Zwangsheirat mit der SPD zur SED vorangetrieben. Wer als überzeugter Sozialdemokrat nicht dafür war, wurde beschimpft, gedemütigt und als Revanchist in die braune Ecke gestellt. Es gab Verhaftungen und Folterungen von Verweigerern. Der vorherige SPD-Vorsitzende Otto Grotewohl wollte, ich zitiere, den "Widerspruch ausrotten". Sukzessive wurden entscheidende Positionen allesamt in die Hand gehorsamer Parteisoldaten übergeben.

Einige wehrten sich noch gegen den Weg, aber Zehntausende gerieten so vor ein Militärtribunal und wurden zum Tode, zu Gefängnis- oder Lagerhaft verurteilt. Oder verschwanden halt einfach auf Nimmer Wiedersehen.

Auch der "Kommunismus" hat Blut an den Fingern.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2018, 15:06 von thommy »
Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der Andere könnte am Ende vielleicht doch Recht haben.

Offline derHarti

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #61 am: 19. Oktober 2018, 15:06 »
@derHarti

Ich verachte den Nationalsozialismus zutiefst. Aber wo liegt Deiner Meinung nach der Unterschied zum verbrecherischen Stalinismus, einem Menschen, der ebenfalls millionenfach gemordet hat und auf den man sich trotz dessen noch viele Jahre nach Gründung der DDR berief und dessen Erbe man weiterführen wollte ?

Der Stalinismus war eine menschenverachtende, pervertierte Form der ihm zu Grunde liegenden Ideologie. Beim Nationalsozialismus muss ich nichts pervertieren, der ist an sich menschenverachtend. Ich möchte das aber auch nicht ins Verhältnis setzen oder relativieren. Für Millionen tote Menschen gab es diesen Unterschied nicht.

Aber: es ging im von mir kritisierten Post darum, dass die DDR dem Nationalsozialismus ebenbürtig war und das lehne ich als Aussage immer noch ab. Denn neben anfänglicher Stalinverehrung mit Denkmälern, Straßen- und Stadtnamen gab es auch irgendwann die Entstalinisierung (ähnlich lasch umgesetzt wie die Entnazifizierung, zugegeben, aber immerhin war es Staatsdoktrin) sowie hauptsächlich die Abgrenzung zur NS-Zeit die offensichtlich dazu geführt hat, dass es keine KZs und Massenmorde mehr gab. Auch hier gesagt, ich möchte in dem System nicht leben und bin froh, dass ich den Großteil meines Lebens außerhalb verbracht habe. Auch hier ist jedes Unrecht eins zu viel.

Offline Sündenbock

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Re: Alfred Kunze
« Antwort #62 am: 19. Oktober 2018, 18:49 »
Hier bin ich gegensätzlicher Meinung. Die Ideologie des Nationalsozialismus vertrat/vertritt grundsätzlich die Ungleichheit/Unwertigkeit von Menschen. Der Millionenfache Mord ist somit folgerichtig, moralisch legitimiert und führte als letzte Konsequenz zu industriellen Tötung von Menschen.
Eine große Machtkonzentration birgt immer das Potential einer Diktatur, da gehe ich mit. Der Nationalsozialismus birgt kein Potential, dort ist die Diktatur systemimmanent.

Nun, man könnte dagegen halten, dass der Marxismus spätestens seit seiner leninistischen Ausprägung die Umerziehung und Konditionierung der Erdenbewohner zu "neuen (Sowjet-)Menschen" als Grundvoraussetzung zur Erreichung des kommunistischen Fernziels vorgesehen hat. Wer bei dieser Indoktrinierung nicht mitmachen wollte oder gar in Verdacht geriet, dem Fortschritt im Wege zu stehen, wurde verfolgt oder ermordet.

Die Grundlagen dafür finden sich in den Werken der entsprechenden Vordenker, ähnlich wie bei Hitler im Falle des Nationalsozialismus. Umsetzer fanden sich im Laufe der Geschichte weltweit zu Genüge. Eine "Diktatur" ist im Übrigen auch dem theoretischen Marxismus selbst immanent, dort heißt es eben "Diktatur des Proletariats" (später verkörpert durch die jeweilige Kommunistische Partei).

Ist ziemlich off-topic alles, aber dieses "der NS ist von Natur aus böse" vs. "der Kommunismus wollte ja eigentlich das richtige, nur seine Manager waren nicht so dolle" ist mir dann etwas zu plump.

Wo Ideologien mit dem Vorhaben antreten, die Menschen in ihrer Gesamtheit von ihren Segnungen zu überzeugen und anschließend entsprechend umformen wollen, da wird es immer kritisch, so jedenfalls meine persönliche Ansicht.

PS: Dies alles ändert meiner Meinung nach aber nichts an der Tatsache, dass die beiden deutschen Diktaturen hinsichtlich ihrer Verbrechen qualitativ und quantitativ nicht gleichsetzbar bleiben. Habe zum Glück beide nicht miterlebt, auch wenn ich Chemie gern mal vor mehr als zwanzigtausend im damaligen GWS gesehen hätte.

PPS: Die Art und Weise, wie hier das sensible Alfred Kunze-Thema diskutiert wurde und wird, finde ich nach wie vor super. Wenn wir diese Kultur auch in anderen Fragen etablieren könnten, wäre mir für die Zukunft nicht bange.
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2018, 18:58 von Sündenbock »