gibts den artikel auch?
bitteschön:
Michael Ballack: In Leutzsch ganz besondere Stimmung
Winfried Wächter
Michael Ballack im Gespräch mit LVZ-Redakteur Winfried Wächter. Foto: Christian Nitsche Michael Ballack im Gespräch mit LVZ-Redakteur Winfried Wächter.
Leipzig. Das Spiel ist zwei Tage nach der Verkündung ausverkauft. Michael Ballack (36) organisiert für den 5. Juni seine Abschiedspartie in Leipzig und hat damit offenbar den richtigen Standort gewählt. Die Popularität des gebürtigen Görlitzers, der von Chemnitz aus in die Fußball-Welt zog, ist in seiner sächsischen Heimat nach wie vor enorm. Der 98-fache Nationalspieler spricht im Interview über seine Planungen für das Spiel, seine Zeit in England - und seine frühen Auftritte in Leipzig.
Frage: Sitzen Sie jetzt jeden Abend und grübeln: Wen lade ich ein, wen nicht?
Michael Ballack: Ich gehe die Vereine durch, in denen ich gespielt habe, die Auswahlmannschaften natürlich auch. Da kommt schon einiges zusammen an Spielern. Und ich hoffe, dass ich dabei niemand vergesse.
Nach welchen Kriterien laden Sie ein?
Es geht natürlich um Sympathie und die Spieler, die ich einfach gut gefunden habe und denen ich auch freundschaftlich verbunden war. Weil sie herausragende Fußballer waren und einen hervorragenden Charakter hatten oder sich durch beides auszeichnen. Dass ich mit ihnen in einer Mannschaft gespielt habe, ist keine Bedingung. Es kann auch ein Gegenspieler sein.
Also könnte auch eine Einladung an Lionel Messi gehen?
Es ist letztlich immer eine Frage, ob der Spieler auch zu dem Termin kommen kann. Ich bin einer, der lieber etwas erst verkündet, wenn es auch klar ist.
Setzen Sie sich ans Telefon und rufen an oder verschicken Sie Mails?
Ich rufe an, das ist persönlicher. Und mit den Jungs muss man schon sprechen. Alle haben einen vollen Terminkalender, und mein Spiel ist für sie ja keine Pflichtveranstaltung. Am Ende werde ich vielleicht 40 Namen auf meiner Liste haben und dann sehen, wer kommen kann. Jetzt beginnt die schwierige Arbeit. Ein paar Tage vor dem Spiel wird mir dann der Schweiß auf der Stirn stehen, wenn ich hoffe, dass alles klappt.
Hat Jose Mourinho gleich zugesagt?
Ich hatte ihn angerufen, aber er ging nicht ran. Er war gerade mit Real in Manchester. Dann habe ich eine SMS geschickt und die positive Antwort kam prompt. Er erledigt alles immer sehr schnell.
Haben Sie auch eine Schwarze Liste? Gibt es Spieler, die sie keinesfalls einladen?
Es ist doch ganz normal, dass es im Lauf der vielen Jahren Spieler gibt, zu denen man keine Beziehung hat. Zum Beispiel wurde ich heute nach Kevin-Prince Boateng gefragt. Ich kenne ihn nicht und habe nie mit ihm gespielt.
Haben Sie Joachim Löw eingeladen?
Noch nicht, das wird jetzt passieren.
Haben Sie in Bezug auf Ihr Abschiedsspiel schon eine Reaktion vom DFB erhalten?
Ich hatte kürzlich unseren Präsidenten Wolfgang Niersbach kurz getroffen. Er wird natürlich auch eine Einladung bekommen. Ich hoffe natürlich, dass er dabei sein kann.
Wie eng ist Ihre Beziehung zu den aktuellen Nationalspielern?
Bastian Schweinsteiger treffe ich hin und wieder. Mit Per Mertesacker bin ich auch in Kontakt. Man muss bedenken, dass schon fast eine neue Generation nachgerückt ist. Da ist es normal, wenn es nicht mehr ganz so eng ist.
Wie war es für Sie, wenn Sie an Abschiedsspielen bei Kollegen teilgenommen haben?
Das war bei Lothar Matthäus und Andreas Brehme der Fall. Auch bei Bernd Schneider und Oliver Kahn. Es hat immer viel Spaß gemacht, weil man dann den einen oder anderen trifft, den man lange nicht gesehen hat. Es ist ja nicht so, dass wir uns ständig alle über den Weg laufen würden und immer wissen, wie es dem anderen geht.
Welche Erinnerungen haben Sie an Leipzig vor Ihrem Wechsel nach Kaiserslautern?
Zunächst ist mir das große Zentralstadion mit den fast 100000 Zuschauern noch in Erinnerung, das ich als etwa Zwölfjähriger bei einem Länderspiel erlebt habe. Ich weiß zwar nicht mehr, welches Spiel es genau war. Da müsste ich meinen Vater fragen, der dabei war. Und dann habe ich ja auch gegen den VfB Leipzig gespielt. Und auch beim FC Sachsen in Leutzsch, wo durch die Nähe zu den Zuschauern auch immer eine ganz besondere Stimmung war.
Ähnlich wie in England?
Ich weiß nicht, ob man das vergleichen kann. England ist schon etwas Besonderes. In Deutschland sind die Fans meiner Meinung nach besser organisiert. Das sieht man an ihren Choreografien. Aber in England ist das normale Sitzplatzpublikum enthusiastischer. Es reagiert wie die Leute auf den Stehplätzen. Bei uns scheint es mir manchmal etwas reservierter.
Was werden Sie nach dem 5. Juni in Angriff nehmen?
Da werde ich erst mal kräftig durchatmen. So ein Abschiedsspiel ist schon etwas Besonderes. Das macht man schließlich nur einmal. Und wenn man es dann selbst mit organisiert, ist man um so aufgeregter, mehr als in einem normalen Spiel, wo man "nur" unten stehen und eine gute Leistung bringen muss. Mit dem Spiel am 5. Juni will ich ja auch alle anderen zufrieden stellen, vor allem die Zuschauer und meine Gäste.
Wird man Sie in irgendeiner Form weiter im Fußball erleben?
Da bin ich offen. Ich wurde oft gefragt, ob ich nach dem Fußball nicht in ein Loch fallen würde. Dabei bietet das Leben viel mehr als Fußball. Ich habe so viele Interessen, da kommt keine Langeweile auf. Ich habe während meiner Zeit bei Chelsea die Kunst entdeckt und schaue mir zum Beispiel sehr gerne Ausstellungen an, einfach um Schönes zu sehen. Da fliege ich auch schon mal spontan relativ weit weg.
Was haben Sie sich zuletzt angesehen?
Das war nicht so weit weg. Da war ich in Chemnitz in der Ausstellung von Neo Rauch. Einfach super.
Aus der Leipziger Volkszeitung vom 11.03.2013