Mitteldeutsche Zeitung :
Halle (Saale)/FRANKFURT (MAIN)/MZ. Die Chaos-Geschichte um das DFB-Pokalspiel zwischen dem Halleschen FC und Eintracht Frankfurt ist um ein Kapitel reicher. Denn in Frankfurt passierte jetzt für die Szene Ungeheuerliches: In einer Unterführung am Gleisdreieck nahe dem Stadion am Riederwald wurde ein Kult-Graffiti der Eintracht-Fans mit Konterfeis der Meistermannschaft von 1959 beschmiert. Unter Verdacht sind Fans des HFC. Schließlich ist da, wo bisher die alten Idole betrachtet werden konnten, nun in groß gesprühten Lettern zu lesen: "Wahnsinn? Das ist Halle!" Eine Provokation, die die Ultra-Szene am Main in Aufregung versetzt und auch die Sicherheitsbehörden zusätzlich alarmiert.
In den vergangenen 14 Tagen hatten es etliche Städte - unter anderem Dessau-Roßlau und Nürnberg - abgelehnt, die Partie auszutragen. Der Grund: Mögliche Randale rivalisierender Fan-Gruppen. Mit Halle, dem Ausweichstadion im Stadtteil Neustadt und nur 2 800 Zuschauern beim Spiel schien eine praktikable Lösung gefunden. Doch nun fachen Provokateure das Feuer neu an. "Das ist natürlich ärgerlich", sagte HFC-Vizepräsident Jörg Sitte.
Der Hintergrund der gesprühten Worte ist offenbar eine Antwort auf eine Aktion der Eintracht-Ultras. Die hatten mit einem Flyer dazu aufgerufen, die Ticketbeschränkung für das Pokalspiel beim HFC zu umgehen und in Scharen in der Saalestadt anzureisen. "300 + X. Alle nach Halle mit oder ohne Karte", stand darauf. Um Zoff anzuzetteln? Womöglich.
Abgebildet ist auf dem Flyer eine Szene aus dem Film 300, der eine historische Schlacht aus dem Jahr 480 vor Christus heroisiert. Da kämpften 300 Spartaner gegen eine tausendfache persische Übermacht. Sparta-König Leonidas hat in dem martialischen Film das aussichtslose Unterfangen mit den Worten "Wahnsinn? Das ist Sparta!" begleitet. Dies haben vermeintliche HFC-Fans nun umformuliert.
Ein übersprühtes Wandbild schreit in der Szene nach Vergeltung. Bis Donnerstag Nachmittag hatten die Eintracht-Fans die schlimmsten Schäden wieder beseitigt. Doch dass die Ultras, also der harte Kern der Eintracht-Fans, den Vorfall einfach vergessen, ist nicht anzunehmen. In mehreren Internet-Foren wird die Befürchtung geäußert, die Frankfurter wollten sich rächen. Nun wächst die Sorge, dass es in Halle tatsächlich zu Ausschreitungen kommen könnte. Trotz der Versicherung des Innenministeriums in Magdeburg, Krawalle außerhalb des Stadions im Keim ersticken zu wollen.
Ob der Schriftzug in Frankfurt allerdings tatsächlich Werk von HFC-Fans ist, war bis Donnerstag völlig unklar. Ein Bekennerschreiben tauchte im Internet nicht auf. Ungewöhnlich, da es in der Szene üblich ist, sich mit solch "mutigen" Aktionen zu brüsten. Vielmehr vermuteten Blogger in den HFC-Foren Anhänger von Kickers Offenbach, Mainz 05 oder dem 1. FC Kaiserslautern als Urheber - allesamt Klubs, die mit den Eintracht-Fans nicht gut können. Auch auf der Seite der Eintracht-Ultras sind solche Spekulationen zu lesen.
In Frankfurt kursieren zugleich Gerüchte, dass die Scharfmacher vor dem Duell aus Leipzig kommen, dass sich Anhänger des aufgelösten FC Sachsen mit Eintracht-Chaoten verbünden, um in Halle Randale anzuzetteln.
Viele Spekulationen, wenig Handfestes. Nur: Die Hoffnung, dass tatsächlich nur 300 Fußball-Fans aus Hessen am Samstag kommender Woche nach Halle reisen, ist trügerisch.
Verantwortliche diskutieren
Die 300 Karten werden in Frankfurt nur gegen Vorlage des Personalausweises und in Verbindung mit einem Bus-Ticket für 35 Euro vergeben. Doch wenn Chaoten unabhängig davon anreisen, stellt dies das gesamte Sicherheitskonzept vor neue Herausforderungen. "Wenn sechs Sonderbusse aus Frankfurt ankommen, gibt es kein Problem. Sie fahren vor das Stadion, die Anhänger werden in ihre Fan-Blocks geleitet - das müsste problemlos ablaufen", sagt René Siebert, der Sicherheitsbeauftragte des HFC. Doch was ist mit den Überzähligen, die nicht kommen, um das Fußball-Spiel zu sehen? "Auch die kriegen wir in den Griff", sagte Lars Schauer, der Veranstaltungschef des HFC nach der Sicherheitsberatung am Donnerstag, auf der auch über die Graffiti-Aktion am Main gesprochen wurde. "Das ändert nichts. Grundsätzliche Strategien werden nicht von Spray-Aktionen oder Einträgen in Internet-Foren beeinflusst."
Dann müsste die Polizei nur noch die HFC-Anhänger eskortieren. Die wollen sich am 30. Juli um 12 Uhr auf dem Hallmarkt treffen und dann geschlossen nach Neustadt ins Bildungszentrum ziehen. Das ist eine Strecke von gut zwei Kilometern. Der Marsch war am Donnerstag bei der Sicherheitsberatung von Polizei, Vereinen und Stadt noch kein Thema.
Wenn Presse Meinung macht.