Aus der LVZ vom 31.10.2024:
Sechs Niederlagen, Platz 14: So will Kapitän Bellot Chemie Leipzig aus der Krise holen:
Chemie Leipzig Kapitän und Torhüter Benjamin Bellot war nach dem 0:2 bei Viktoria Berlin sichtlich enttäuscht.
Die BSG Chemie Leipzig scheint auf der Stelle zu treten, die Unzufriedenheit nach dem 0:2 bei Viktoria Berlin wächst. Kapitän Benjamin Bellot weiß: Da hilft nur Geduld. Der Torhüter, mittlerweile in der fünften Saison in Leutzsch, fasst sich dabei auch an die eigene Nase.
Jens Fuge
31.10.2024, 13:47 Uhr
Leipzig. Beim Stand von 0:0 passierte es: Eine weite Flanke segelte in den Strafraum, eigentlich eine leichte Sache für den erfahrenen Torhüter der BSG Chemie Leipzig. Doch plötzlich zappelte der Ball im Netz, die Führung für Viktoria Berlin (Endstand 0:2). „Mein Fehler, ganz klar“, macht Benjamin Bellot keinerlei Umstände um dieses Gegentor. Er war ganz einfach zu spät gekommen, hatte sich verschätzt. Patzer passieren, sind menschlich. „Das sind die individuellen Fehler, die uns derzeit immer wieder zurückwerfen. Ohne die gibt es keine Tore, aber in unserem Fall fehlt eben gerade das Selbstverständnis, jeden Ball wegzutackeln oder rauszuköpfen“, so Bellot. Oder wegzufausten, wie in seinem Fall. Fakt ist: „Wir bekommen zu viele Gegentore“, stellt der Kapitän ohne Wenn und Aber fest.
Dabei ist längst nicht alles schlecht. „Nicht so schlecht, wie die Tabellensituation es glauben macht“, meint „Belle“. „In fast allen Spielen – vielleicht außer Erfurt, wo wir uns in den letzten fünf Minuten ergeben haben – waren wir nicht schlechter als der Gegner. Es ist nur deprimierend, dass wir so viel investieren, aber nicht zwingend genug sind, um auch davon zu profitieren“.
Viele Kleinigkeiten stimmen derzeit nicht bei Chemie
In Berlin beobachtete er dabei den Lattentreffer von Mitspieler Janik Mäder als beste Chance, der aus einer Balleroberung vor des Gegners Tor resultierte und nicht Resultat eines gepflegten Angriffszuges war. „Ich kann mich nicht erinnern, dass der gegnerische Torwart jetzt drei- oder viermal hätte sensationell halten müssen“, meint Bellot. „So krasse Chancen hatten wir nicht“. Chemie hat seine Gelegenheiten, aber eben nicht die hundertprozentigen, die man machen muss, sondern Gelegenheiten, die man machen kann. Das Zwingende fehlt. Der Querpass auf den frei stehenden Mitspieler, der sich in Position gebracht hat. Der letzte Pass, der sogenannte „tödliche“. Daran hapert es, wenn man die Chancen genauer analysiert.
Woran das liegt? „Wir verpulvern viel Kraft bei dem riesigen Aufwand, den wir betreiben, da fehlt es dann hin und wieder. Und wenn wir in Rückstand geraten, wird es doppelt schwer“, sieht Bellot Gründe. Es seien viele Kleinigkeiten, die nicht stimmten, ob Schwierigkeiten im Spielaufbau oder die zu großen Abstände zwischen den Mannschaftsteilen. Die Analyse erfasst auch die vielen Wechsel in dieser Spielzeit, die Ab- und Zugänge, mangelnde Routinen und Abläufe, vielleicht auch die neuen Ambitionen einzelner Mitspieler. „Wir saßen schon mehrfach im Team zusammen und haben diskutiert, was wir anders, besser machen könnten“, erzählt Bellot. Der Rat seines Mitspielers Cemal Kaymaz, sich vielleicht einfach mal „die Birne wegzutrinken“, sei natürlich nicht ganz so ernst genommen worden. „Viele können Alkohol nichts abgewinnen bei uns“, schmunzelt der Kapitän. Ob wir fußballerisch alle die gleiche Sprache sprechen und das Gleiche wollen, war ein Thema.
Dennoch sei viel zur Sprache gekommen, vor allem die fußballerischen Unterschiede wurden diskutiert. „Menschlich passt alles wirklich gut, da gibt es keinerlei Defizite. Aber ob wir fußballerisch alle die gleiche Sprache sprechen und das Gleiche wollen, war ein Thema, und wie wir damit umgehen. Eine Mannschaft wird natürlich vom Trainer eingestellt und vorbereitet, aber wir entscheiden auf dem Feld, wie es läuft“, erklärt Bellot. Und wenn ein langer Ball geschlagen wird, müssen sich eben mehrere Mitspieler um den Zielspieler gruppieren, um den zweiten Ball zu erobern oder anspielbar zu sein, wenn der Angespielte annehmen konnte. Der HFC kommt als Favorit in den Alfred-Kunze Sportpark
Nun kommt mit dem Halleschen FC der Tabellenzweite. Haushoher Favorit, Nachbarstadt-Duell, ausverkauftes Haus, Derbycharakter, Fanfeindschaft inklusive. Chemie hat also nichts zu verlieren. Oder? „Das Drumherum wird vieles überlagern. Ob da jetzt der Zweite gegen den Tabellen-Vierzehnten antritt, spielt da keine Rolle. Es muss allen viel mehr bewusst sein, dass die erste Halbserie bald herum ist, und wir noch Hammerspiele vor uns haben. Wir brauchen also die Punkte dringend!“
Am Ende müsse man den Spieß einfach herumdrehen, den Gegner stressen und zu Fehlern zwingen. Und diese am besten auch ausnutzen. „Am Ende bricht sich alles auf die 90 Minuten herunter. Danach war dann alles entweder richtig oder alles falsch“, weiß der Torhüter. So einfach ist der Fußball – auch in Leipzig-Leutzsch.
LVZ