Das Jugendzentren der letzte Rotz sind? Einem Engländer, die seit X-Jahrzehnten nichts anders kennen als dass. Die schon 1990 ein solches internationales Scouting-System hatten, das sie einen gewissen Stefan Beinlich aus der DDR-Liga geholt haben, den in der Oberliga mit Sicherheit keine Sau gekannt hatte.
Ich glaube, hier liegt Deinerseits ein Mißverständnis vor, weil Du Leistungszentrum als Jugendzentrum interpretierst. Es geht in diesem Zusammenhang aber auch und vor allem um den Herrenbereich.
Und was Beinlich angeht: Dessen Anlagen waren unübersehbar. Nicht umsonst lief der durch die ganze BFC-Fußballschule, den konnte man nicht übersehen. Der kam mit Ansage. Aber er hatte Westverwandtschaft, was ihn für das System uninteressant machte. Und dann hatte er Glück mit der Wende, wie so viele meiner Generation.
Aber auch da musste kein Nachwuchsspieler von Chemie zu Lok wechseln. Das waren freiwillige wahrscheinlich in aller Regel nach sportlichen Maßstäben getroffenen Entscheidungen der Spieler bzw. der Eltern. Mir ist kein Fall bekannt, dass allein wegen eines Nichtwechsels von Chemie zu Lok ein Nachwuchsspieler Probleme bekommen hätte.
Ich schätze mal, Du warst dann so zwanzig Jahre lang Nachwuchsleiter/-trainer bei Lok, oder? Also ich kenn da schon ein paar Geschichten, und ich war nur kurze Zeit da, wo etwa ein Spieler zu Lok kam (jetzt nicht von Chemie), den Lok eigentlich gar nicht brauchte und der dann dort in einer zweiten(!) Nachwuchsmannschaft spielen durfte, mehr oder weniger nur, damit er nicht in der ersten Nachwuchsmannschaft in Leutzsch oder schlimmer noch später in deren Herrenmannschaft auflief. Bestimmt nur ein Einzelfall, aus Sorge, damit er nicht immer so weit fahren muss. Es gab da auch den Fall, wo ein Spieler aus dem Nachwuchszentrum aussortiert wurde mit der Ansage, dass er gern zu Motor Stötteritz wechseln durfte, aber besser nicht in Leutzsch anklopfen sollte. Sicher hat er und hab ich das damals fehlinterpretiert. Ebenso wie später mal ein Nachwuchsspieler bei Chemie auf der Kippe zur ersten Mannschaft zufällig zur NVA eingezogen wurde, aber auch damit hatte Gießner sicher nichts zu tun. Alles Einzelfälle. Kann passieren. Wäre ihm bei Lok wohl nicht passiert, aber da war er ja nicht.
Und fürs Protokoll, ich war selber (nur) ein halbes Jahr bei Lok Jugendspieler Anfang der 80er. Auch wenn ich mich an die Namen nicht mehr erinnere, kenne ich diese Sachen doch aus erster Hand. Sie gehörten, natürlich nach dem Erleben der Atmosphäre von Leutzsch, mit zu den Gründen, die mich zum Chemie-Fan gemacht haben.
Was den Männerbereich angeht, so ist der von dir angesprochene Hans-Bert Matoul übrigens der ist der einzige Fall, in dem Chemie als Oberligamannschaft durch Lok geschwächt wurde. Die restlichen (gerade mal) sechs Wechsel/Delegationen (1970-1990) fanden statt, nachdem Chemie gerade in die Liga abgestiegen war. Soviel zu den Fakten und gegen die Legendenbildung.
Lok hat eine ganze Reihe Spieler überhaupt nur bekommen, weil sie als Leistungszentrum Veto- bzw. Weisungsrechte hatten. Das hat Gießner ja ganz freimütig immer mal so fallen lassen. O-Ton: "Sollen wir sie denn für andere Mannschaften spielen lassen?" Und das nicht nur mit Tunnelblick auf Chemie. Aber Leitzke, der sich schon im Wismut-Trikot vorstellen lassen hatte, ist da schon ein gutes Beispiel. Und er hat seinen Fall ja auch im TV-Interview unmißverständlich beschrieben.
Fazit: Ihr wart aktiver Teil eines Unrechtssystems, ihr habt profitiert. Ihr wart Täter, auf sportpolitischer Ebene. Euer ganzer Erfolg gründet sich darauf. Werdet damit fertig. Ihr habt sehr gut vom DDR-System gelebt. Und ihr habt das nie aufgearbeitet. Im Gegenteil: Ihr feiert euch dafür. Euer Hass auf uns ist eigentlich ein projizierter Selbsthass, weil ihr tief im Innern wisst, dass die Basis für euren Erfolg Unrecht und Unfairness war. Und weil es uns trotzdem gibt.