Polizei dankt Fußballfans
Erfolgreiches Pilotprojekt in NRW: Weniger Beamte, weniger Konfliktpotenzial am Spieltag
Lob von allen Seiten: Fans, Verbände und sogar eine von zwei Polizeigewerkschaften werten die reduzierte Präsenz von Sicherheitsbeamten bei Fußballspielen in Nordrhein-Westfalen als Erfolg.
»Ich bedanke mich bei den vielen tausenden friedlichen Fans. Diese haben ihre neuen Freiräume verantwortungsbewusst genutzt. Das ist ein sehr gutes Signal.« Für Ralf Jäger, SPD-Innenminister in Nordrhein-Westfalen, ist das Pilotprojekt zum flexibleren Einsatz von Polizisten schon vor dem Abschluss ein voller Erfolg. An vier Spieltagen der ersten drei Profiligen verzichtete die Bereitschaftspolizei auf eine enge Begleitung der Fans zum Stadion, auf den nicht immer als freundlich empfundenen Empfang von Gästefans an Bahnhöfen wurde bei ausgewählten Spielen ganz verzichtet, die sichtbare Präsenz von Polizisten reduziert. Für die Polizei vereinfache dies die Einsätze, das »verringert auch das Konfliktpotential zwischen Fans und Polizisten«, fasst Jäger zusammen.
Jäger, der sein Projekt fortsetzen möchte, sieht darin zudem ein bundesweites Signal, wie in Zeiten knapper Kassen die überbordenden Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen reduziert werden können. Schon jetzt gehen 30 Prozent der Einsatzzeiten der NRW-Polizei für Fußballeinsätze drauf, durch die Aufstiege des 1. FC Köln und des SC Paderborn wären es ohne reduzierte Einsätze am Ende der Saison rund 40 Prozent geworden: »In dieser Saison haben wir zehn Prozent mehr Spiele in den Fußballligen in NRW. Das darf nicht bedeuten, dass wir nochmal zehn Prozent mehr Polizeibeamte einsetzen müssen. Das ist dem Steuerzahler nicht mehr zu vermitteln«, begründet Jäger das Pilotprojekt vor allem fiskalisch. Um 21 Prozent hätte der Polizeieinsatz bei den ausgewählten Spielen verringert werden können, fasst Jäger den Erfolg in Zahlen. Ausgenommen vom Projekt waren von vornherein ausdrücklich Risikopartien wie zuletzt das rheinische Derby zwischen Köln und Mönchengladbach oder das Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund am Sonnabend: »Es handelt sich um ein Hochbrisanzspiel und hat mit dem Versuch in NRW nichts zu tun«, bestätigte Jürgen Karlisch, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Dortmund.
Den meisten Fans gefällt die neu gefühlte Freiheit: »Vor dem Spiel des FC Bayern bei uns auf Schalke hatten wir das Gefühl, es sei überhaupt kein Bundesligaspieltag«, sagt Rainer Vollmer, Vertreter der Fanvereinigung »Unsere Kurve« und Mitglied beim Schalker Dachverband: »Da gab es kaum einen Polizisten in der Stadt oder in der Nähe des Stadions. Es gab keine Zunahme von Gewalttaten. Die Fans haben deutlich gezeigt, dass sie friedlich miteinander umgehen können.« Ähnlich positiv äußerte sich an gleicher Stelle auch Jonas Gabler, Fanforscher an der Universität Hannover: »Wir haben bislang noch nichts gefunden, was gegen die Fortführung des Projekts gesprochen hätte. Es gab keinen Anstieg der Gewalt.« Und auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) begrüßen Jägers Vorstoß: Hendrik Große Lefert, Sicherheitsbeauftragter des DFB sagte: »Wir sind überzeugt davon, dass dieser Versuch eine tiefgehende Analyse und Prüfung einer langfristigen Umsetzung lohnt.« In einer DFL-Stellungnahme heißt es: »Die vorliegenden Zahlen unterstreichen: Wenn alle Beteiligten in ihrem jeweiligen Bereich an Verbesserungen arbeiten und nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sind Lösungsansätze im Sinne der Sache möglich.«
Mit dem Finger zeigte jedoch noch vor Veröffentlichung genauer Zahlen Arno Plickert, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP): »Das ist nichts als Schönfärberei. Wir haben mehr Einsatzbelastung für Hundertschaften als vorher, der Innenminister bezieht sich nur auf friedliche Spiele, blendet Begegnungen mit gewalttätigen Ausschreitungen aus.« Die GdP lehnt das Projekt Jägers weiter ab, stellt in einer eigenen Aufstellung dar, das es in den letzten Wochen auch weiterhin bei verschiedenen Spielen zu Zwischenfällen gekommen sei. Zum Beispiel beim Spiel zwischen Osnabrück und Münster - ein Risikospiel aber, welche nicht Bestandteil des Pilotprojektes sind. Insgesamt hätte nur bei einem einzigen Spiel, das Bestandteil des Modellversuchs war, polizeiliche Verstärkung angefordert werden müssen, entgegnete Ralf Jäger die GdP-Kritik. Vertreter der zweiten Polizeigewerkschaft, der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) äußerten sich hingegen positiv über den Modellversuch.
Die Fußballfans in Nordrhein-Westfalen werden sich also auch in Zukunft bei Spielen mit wenig Brisanz an weniger Polizeibegleitung und dafür größerer Bewegungsfreiheit erfreuen können. Und falls sie sich schon zu sehr daran gewöhnt haben, von der Polizei den Weg gewiesen zu bekommen, wird es in Zukunft genug Freiraum geben, um andere Menschen freundlich nach dem Weg zum Stadion zu fragen.