Ich hab mal die letzten 20 Stunden genutzt, meine Gedanken und Eindrücke von gestern bissl zu ordnen. Erstmal fälllt mir auf, daß meine Stimme immernoch wie Sandpapier klingt, meine Schultern bretthart sind und ich die Arme kaum noch heben kann. Dieses körperbetonte Ultragehopse und -geklatsche ist echt brachiale Arbeit, das muß man gewohnt sein.
Von Euphorie oder Stolz fällt mir schwer zu schreiben, dafür was die Spielsituation zu irrsinnig und überflüssig, aber es ist schon ein sehr sehr gutes Gefühl, das ich mitnehme. Erhebend, die hellgrüne Masse der Zugfahrer zu sehen, schließlich sind mir Erlebnisse wie Auswärtsfahrten nach Halle immer entgangen. Pure Extase, als Matthias den Ball unter die Latte drosch. So wie besessen hab ich sehr lange nicht mehr gebrüllt. Genugtuung, der SGL jetzt auch sportlich einen Niederlage zugefügt zu haben. Unser Gesamtbild war hervorragend, so sieht Geschlossenheit aus und ich denke, jeder von gegenüber, der noch willens ist, die Welt außerhalb der SGL wahrzunehmen, wird davon beeindruckt gewesen sein. Einzig die Ankunft am Gästeblock läßt Raum für Kritik, aber nicht weniger kritikwürdig war sicher das überreizte Autreten der Bullen wie auch die schlechte Organisation seitens des Gastgebers, wenn ich an fehlende Sanitäter für eine Ansammlung von 500 Leuten und die völlig eingeschüchterten Kartenverkäuferinnen denke. Aber völlig ohne Rangeleien hab ichs ja auch garnich erwartet.
EIn paar Gedanken zum Gegner: Klar dominanter, aber es gibt Mannschaften, die münzen diese Überlegenheit nicht in Treffer um. Oft genug waren wir diese Mannschaft, deshalb kenne ich kein Mitgefühl für diese sportliche Niederlage. Auf den Rängen war alles etwa wie ich es erwartet hatte. Vielleicht 250 aufm Norddamm, 400 auf Dammsitz+Tribüne (davon vlt. 100 Chemiker) und 700 im Gästeblock, da scheint mir die Zuschauerzahl etwas hochgegriffen. Es sei denn es sind 500 Dauerkartenbesitzer nicht erschienen. Auf jeden fall waren es mehr als zu den üblichen SGL-Heimspielen, da konnten wohl einige zusätzlich mobilisiert werden. Auf unserer Seite war die Motivation natürlich gering. Jede Karte füllt Engel das Säckl und Familien gehen auch nich in den Gästeblock. Nicht zu vergessen, daß die BSG beim Hinspiel wohl weit mehr als 500 Leute zusätzlich mobilisiert hat.
Vor den wenigen Sängern kann man den Hut ziehen, daß sie es überhaupt machen. Der Effekt ist natürlich mangels Masse eher dürftig.
Was mich noch wundert, ist die ständige Fixierung auf dieses „Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher“. Erstens ist das bekanntermaßen seit langem ein Reizthema, das man eigentlich ruhen läßt, wenn man es erst damit meint, Heimat für alle Chemiker sein zu wollen. Zweitens macht die laienhafte Übersetzung in andere Sprachen den heutzutage sehr unsinnigen Spruch nicht sinnvoller. Vielleicht sollten die fremden Sprachen ja Weltoffenheit demonstrieren, was allerdings im Widerspruch zum Inhalt stände. Und drittens war ich erstaunt, daß gerade dem „Fanblock“ der Leutzscher Einheit auf dem Dammsitz (wenn ich das richtig einordne) nichts besseres einfällt als N-E-L-I-E-D. Da waren die Norddammsänger um Welten kreativer.
Wo wir beim Fanclub Einheit wären, dessen Spruchband „Fusion oder Einfamilienhäuser“ zeigt, daß sie weiterhin davon ausgehen, daß eine sprengstoffgeladene, völlig künstlich zusammenkonstruierte Fusion langfristig nützlicher sei als ein Kampf der Konzepte und Philosophien um die Vormacht in Leutzsch, die zur Erstarkung eines Vereins und zum Versinken des anderen führen wird. NIcht zuletzt sprechen sie damit indirekt der BSG ab, die Verantwortung für das chemische Erbe vollständig und solide auszufüllen zu können.
Aber zurück zu uns: Der Sieg ist Bestätigung und zusätzliche Motivation für unsere Arbeit. Die fünf Bereiche sportliche Entwicklung, Nachwuchsarbeit, Familien- und Öffentlichkeitsarbeit, Fangemeinschaft und Traditionspflege, die wir in einem Jahr schon ganz gut beackert haben, werden wir weiter mit allen Kräften vorantreiben.
Damit nächsten Samstag und Sonntag ein würdiger Abschluß gelingt, müßte sicher sportlich eine Steigerung her, aber eines sollte gestern ja allen wieder klar geworden sein: Daß es eine Ehre und ein Erlebnis ist, für die BSG Chemie zu spielen. Das sollte jedem den letzten Kick geben, den es dazu braucht.