Hallo Delantero,
du hast, wie du wahrscheinlich bemerkt hast, ein heikles Thema angeschnitten, denn die Vorkommnisse zu IG-Zeiten scheinen sich doch sehr stark in unser kollektives IG-(jetzt LF-)Gedächtnis eingebrannt zu haben.
Ich möchte zu deinen Einwürfen, aus denen die ehrliche Sorge um das Wohl des Leutzscher Fußballs spricht, gern Stellung nehmen. Obwohl ich Aufsichtsratsmglied der BSG Chemie Leipzig bin, möchte ich die Ansichten, die ich im Folgenden darlege, als meine rein persönlichen verstanden wissen.
Ich finde deine Zeilen ausgesprochen vernünftig, doch leider habe ich im vergangenen Jahr den Eindruck gewonnen, dass die von dir angesprochene schweigende Mehrheit, die es wahrscheinlich gibt und irgendwo da draußen ist, lediglich in den Kommentarspalten der LVZ-Online wirklich aktiv ist.
Ich halte diese "Ich geh erst wieder nach Leutzsch, wenn es da einen Verein gibt!"-Attitüde für falsch. Wenn es einem tatsächlich ein Herzensanliegen ist, dem Leutzscher Fußball zu helfen, indem man die Zwei-Vereine-Situation beseitigt, dann gibt es für mich nur eine vernünftige Lösung: Man schaut, welcher der beiden Vereine näher dran an dem ist, was seinen Vorstellungen von "Chemie" entspricht und engagiert sich bei diesem Verein. Ich behaupte einmal von meiner Warte als Fan der BSG Chemie Leipzig (und das, obwohl ich noch ein relativer Neuling im Leutzscher Holz bin!), dass die BSG noch eher an so etwas wie dem vielzitierten "Chemie-Geist" dran ist als die SGLL - trotz der unterschiedlichen Vorstellung von Stimmung im Stadion usw.
Wie beinahe überall ist es auch bei der BSG so, dass diejenigen, die sich engagieren, auch dazu befugt sind mitzuentscheiden. Gäbe es eine große Anzahl von engagierten Leuten, die der Meinung wären, man müsse mehr Kompromisse eingehen, um das Ziel "ein Leutzscher Verein" zu erreichen, dann sähe die - bislang ohnehin schon sehr von Kompromissen geprägte! - Politik der BSG gegenüber ihrem Nachbarn vielleicht etwas anders aus.
Tatsache ist, dass die BSG Chemie mit einer unverbrauchten Vereinsführung in die Landesligasaison 2011/12 gegangen ist. Dem Vorwurf, Altlasten hätten eine Annäherung beider Vereine behindert, ist also zumindest auf Chemie-Seite eindeutig zu widersprechen. Leider ist - durch Äußerungen in der Presse und noch heute in den sozialen Netzwerken - teilweise der Schein entstanden, es habe während der vergangenen Spielzeit Personalwechsel in der Vereinsführung gegeben, weil die scheidenden Personen das Ziel der Einigung mit der SGLL verfolgt hätten. Dies ist auch deshalb schade, weil Außenstehende das Gefühl bekommen müssen, dass es die handelnden Personen auf BSG-Seite wären (ich kann nur für meinen Verein sprechen), die Schuld an der Misere hätten und zum Wohle des Leutzscher Fußballs abgelöst gehörten.
Noch einmal: Ich denke, wenn es wirklich eine breite Masse an Chemikern gäbe, die eine baldige Einigung befürworten, dann hätte sich diese bereits organisiert und Maßnahmen ergriffen, ihre Ziele in die Tat umzusetzen. Daran könnte sie keiner hindern, denn auf Mitgliederversammlungen zählen Mehrheiten und nichts anderes. Die Leutzscher Einheit hat - meiner Meinung nach mit den falschen Methoden - den Versuch unternommen, dahingehend etwas zu bewegen. Der Erfolg hielt sich auch deshalb in Grenzen, weil es an Masse fehlte.
Die Situation ist mehr als bedauerlich, darin sind wir uns alle einig. Mir persönlich ist noch immer ein Rätsel, was die handelnden Personen (wer sind die eigentlich?) bei der SGLL zur Manifestierung der Leutzscher Zwietracht bewogen hat. Doch alles Klagen nützt nichts - wir versuchen, alles dafür zu tun, dass sich alle Leutzscher bei der BSG Chemie Leipzig wohl fühlen können. Dass bekannte Neonazikader (ich rede hier ausdrücklich nicht von den Personen aus dem Gamma-Steckbrief!), die bei der SGLL immernoch gern gesehene Gäste sind, bei der BSG keinen Platz haben, sollte nachvollziehbar sein.
Manchmal wünschte ich mir, dass all die Leute, denen anscheinend viel am Wohl des Fußballs in Leipzig-Leutzsch liegt, ihre Zeit und Kraft lieber in die Unterstützung der BSG Chemie stecken würden als einer Sache nachzutrauern, die es in ihrer einstigen Form wohl nicht mehr geben wird. Dabei sind die Möglichkeiten längst da. Jeder, der helfen will, ist willkommen. Manchmal braucht es nur den Mut zum ersten Schritt und wenn dieser getan ist, wird man schon bald begreifen, dass all das, was man sich so sehnlichst wünscht, doch eigentlich bereits da ist.
Grün-weiße Grüße
Stefan