Boah!
Was schreibt man jetzt nach so einem Tag, für den es keine ausreichenden Worte gibt?
Dieser Tag war von der ersten bis zur letzten Minute ein Erlebnis, das mir in meinem jungen Leben noch nie vergönnt war. Und ich gehe auch erstmal nicht davon aus, daß ich jemals etwas vergleichbar geiles erleben werde.
Fangen wir mit dem Morgen an, als vor um sieben mein Wecker klingelte. Die Sonne schien und versprühte so eine Vorahnung von etwas ganz Großem. Endlich wer dieses nervende Warten auf den 10. Mai zuende, dieser zermürbende seelische Zustand zwischen Anspannung und Vorfreude, Angst, daß irgendwas schief geht und Erwartung eines rauschenden Festes.
Geschäftiges Treiben bis um 10 auf dem Festplatz hinter der Tribüne, Softeisladen und Kräppelchenbäcker klappen ihre Buden auf, man grüßt sich freundlich. Immer mehr Helfer kommen dazu, die Arbeit mit dem Aufbau geht leicht von der Hand. Die ersten Gäste treffen ein, zerstreuen sich im weiten Gelände. Gegen 13 Uhr ist die Festwiese ordentlich gefüllt, etwa 100 Kinder vergnügen sich bei den vielfältigen Spielen und Angeboten, etliche bekannte Gesichter natürlich (man kennt sich aus dem Familienblock) aber auch viele, die sich etwas unsicher im Gelände gewegen und sicher noch nie bei Chemie waren. Mich hat gefreut, daß auch viele "einfache Leute" den Weg zum Familienfest fanden, denn ab und ann hatte ich das Gefühl, daß die meisten der kleinsten Besucher bei Chemie vor allem Kinder von Akademikern oder Alt-Ultras sind. Alle Vergnügungen kostenlos anzubieten war dahingehend besonders wichtig und richtig, so konnte wirklich jedermann Teilhaben an dem Fest. Was natürlich genauso für den Abend galt. Soccerfeld, Hüpfburgen und Kinderschminken waren die Renner, permanent besetzt. Die große Kiste mit Chemie-Tattoos wurde fast leer. Etwas weniger angenommen wurden die Sportspiele (die Torwand aber auch durch Erwachsene gut genutzt), der Malwettbewerb (etwa so viele Teilnehmer wie Hauptpreise), die Handabdruck-Erinnerungsfahne (knapp 20 Kinderhände) und das Ponyreiten (was den Ponys aber egal gewesen sein dürfte). Auf Schatzsuche gingen leider nur 5 Kinder. Vielleicht waren es einfach zu viele Angebote für zu kurze Zeit. Schwer einzuschätzen, so ganz ohne Vorerfahrung bei Kinderfesten.
Zwischendurch fanden sich Punkt 11 Uhr drüben vorm Familienblock ca. 150 Leute ein, um bei der offiziellen Eröffnung dabei zu sein. Sehr schön, daß der Sozialbürgermeister Herr Fabian dabei war und mit mir nach kurzen Reden auch von Frank Kühne und ein paar Bautechnischen Daten das grüne Band durchschnitt. Danach neugieriges Umherschlendern im neuen Block und kurze Schwätzchen, bis sich rasch alles wieder Richtung Fest verlor. Zum Bau an sich braucht man nichts mehr zu sagen: Wer den Block einmal von Nahem gesehen hat, bekommt Erfurcht vor der Leistung der Freiwilligen und den Spendern. Und als Familienpapa kann mans gar nicht erwarten, hier ein Spiel von Chemie zu erleben. Jemand neben mir sage: "Der wohl einzigartigste Familienblock der Welt und auf jeden Fall der mit dem besten Blick aufs Feld."
Auf dem Höhepunkt des Familienfestes nach 14 Uhr zogen das Spielzeug und viele Familien dann ins Stadion um, nahmen also den neuen Block in Besitz. An die 30 Kinder spielten zwischenzeitlich dort und traten sich unterm Holzunterstand fast über den Haufen. Trotzdem ist die Hütte nicht zu klein, denn die bisherige Resonanz lag ja um die 5 Kinder und wenn mans in naher Zukunft über die 10 pro Spiel bekommt, wäre das schon zufriedenstellend. Nur diesmal verstellten die vielen Kinderwagen fast den EIn- und Ausgang zum Block. Ganz treffend formuliert (mit Augenzwinkern): "Wir haben beim Bauen nen Kinderwagen-Parkplatz vergessen".
Schade, daß die schöne Tonreportage von 1964 so zeitig vorm Spiel lief, die hätte noch mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt. Vorm Anpfiff starrten viele gespannt auf den Norddamm. Der Einlauf dann nicht mit gigantischer, aber respektabler Stimmung. Gefreut hab ich mich über etliche neue (oder besser: mal wieder aufgehangene alte) Zaunfahnen, auch mal überm oberen Norddamm, gab ein schönes Bild ab. Die auch zu normalen Spielen schon ordentliche Spielbegleitung vom Dammsitz war gestern wirklich fein, Sahnehübchen mit Gänsehaut natürlich "Steht auf ...", und schön daß es diesmal sogar im Familienblock zahlreiche Mitklatscher und einige Mitbrüller gab (sonst bin ich da nämlich immer der Einzige
).
Die Mannschaft hat sich niemanden in Extase versetzt, aber sie haben ihre Aufgabe pflichtgemäß erfüllt. Ein dem großen Tag angemessenes Zweikampfverhalten, frühes Attackieren und fast sämtlich gewonnene Sprintduelle sind da positiv hervorzuheben.
Als im Spielgang gleich neben dem Familienblock tatsächlich die Meister auftauchten, hatte ich einen ziemlichen Kloß im Hals. Hab bis zuletzt nicht richtig geglaubt, daß sie uns die Ehre geben wollen. Und von dieser Minute an steigerte sich auch nochmal die Teilnahme der Zuschauer deutlich, bis zum rhythmischen Anfeuern aus allen Stadionecken, Wahnsinn!
Beim Run auf den Dammsitz großes Gedränge hunderter vor dem engen Tor, sehr respektvoll und gelassen ließ man anfangs noch Abstand zueinander, als die ersten roten Fackeln brannten, quetschten sich nurnoch alle durchs Tor um nichts zu verpassen. Was dann folgte war nur noch pure Euphorie. Man merkte es vielen Leute an, daß sie hier Einmaliges erleben und daß es wohl keine zweite Chance mehr gibt, eine Würdigung unserer Helden in diesem Rahmen durchzuführen. "Oh mein Schere, oh mein Schere, ..." "Laßt uns den Geist bewahrn...", "Hoch solln se leben..." Jeder vierte, dem ich ins Gesicht blickte, hatte feuchte Augen oder nasse Wangen. HELDEN AUF EWIG steht auf den Geschenkbildern für die Meister. So wurde sie auch empfangen um ehrfürchtig wurde vor und nach Einweihung der Gedenktafel ein Spalier auf dem Dammsitz gebildet und ohne Pause applaudiert.
Mir tut so weh, wenn ich höre, wie sich einige der Meisterhelden über die BSG von heute äußern. Was ich mir zutiefst wünsche, ist, daß bei ihnen durch diese beide Seiten bewegende Begegnung eine Ahnung entstanden ist, daß die BSG Chemie von heute ein würdige und genauso wild entschlossene Truppe (Verantwortliche, Spieler und Anhänger) ist wie die alte. Vieles, fast alles ist in der Vergangenheit schief gelaufen, aber daß der Mythos von 1964 unverändert fortbesteht und das Leben dieses Vereins prägt, das ist vielleicht ein bisschen in ihre Herzen gedrungen. Die Bilder von gestern werde ich nie vergessen.
Während Eisenheinrich spielte wurde im Stadion aufgeräumt und dann hatte ich die große Freunde, meine Eltern zu treffen, bei Bier und Gulaschsuppe und später mit CITY. Beide waren noch nie im AKS und mein Papa hat bis zuletzt mit sich gerungen, ob er wirklich mitkommt. Er war sein 56jähriges Leben bisher nur in Probstheida oder im ZS und oft hatte ich das Gefühl, ihm ist suspekt, daß ich so viel für Chemie arbeite und mache. Aber an diesem Abend hat sich irgendetwas versöhnt, seine blau-gelb-angehauchte Vergangenheit mit meiner grün-weißen Euphorie. Danke, daß ihr an diesem großen Tag dabei wart!!!
Das CITY-Konzert in der Dämmerung trotz leichtem Regen ein echter Genuß, gediegene bis feierliche Stimmung mit etlichen Schääämie-Rufen und Gesängen. Wie die Band damit umging, bei und für Chemie zu spielen, hat mir sehr gefallen, nicht distanziert (sie trugen allle Trikots) aber auch nicht anbiedernd, genau richtig. Nahe ging mir ein bekanntes Lied, das sie an diesem Abend Chemie gewidmet haben, u.a. mit folgendem Text: "Grade, klare Menschen wär´n ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat hab´n wir schon zuviel." Das trifft es, sich mit Rückgrat in die Tradition der Meisterhelden stellen, das werden wir auch weiterhin tun, seit gestern erst recht!
Nach einem stimmungsvollen Abschluß mit "Am Fenster", begleitet von etlichen Bengalos und einem kleinen Feuerwerk, ging die Party im Zelt weiter. Meine Eltern waren weg und so für mich allein fiel plötzlich die ganze Anstrengung und Aufregung und Umtriebigkeit des Tages von mir ab. Da war plötzlich Platz für tiefe Emotion und als ich dann meine vielen Weggefährten, Mit-Chemie-Verrückten, Mit-Chemie-Gestalter und Für-Chemie-Abrackerer traf, konnte ich nur noch eines: In die Arme fallen, fest drücken, manchmal flennen vor Glück über diesen unfaßbar geilen Verein und diesen einzigartigen Tag. Ich glaube diese Gesten, diese tiefste Verbundenheit mit Menschen, die so verschieden sind, mit denen man sonst im Leben wohl nie was anfangen könnte, können nur entstehen, wo man gemeinsam gegen alle Widerstände einen Weg geht, gemeinsam schwere Rückschläge durchlebt, gemeinsam und unermüdlich weiterkämpft für die gemeinsame Sache, den gemeinsamen Traum.
DA ist die große Parallele zu 1964. Alfred Kunze sagte vorm Spiel in Erfurt: "Jeder hat sich mit nie versagender Willenskraft einzusetzen für die gemeinsame Sache, für die Sache der anfangs belächelten, für die Sache einer Mannschaft, die als verlorener Haufen galt!" DAS haben viele von uns die letzten drei Jahre gemacht (einige schon 6 Jahre). DAS hat uns hierher geführt, zu diesem unvergeßlichen Festtag, und DAS wird uns weiterführen unserem Traum entgegen. Mögen uns alle Belächeln für unser Hochhalten der 64er Tradition, wir wissen um die Erfülllung, die dieser gemeinsame Weg jedem einzelnen schenken kann!
Ich glaube der 10. Mai 2014 war nicht nur ein gelungenes Fest und eine Belohnung für bisherige Arbeit. Ich glaube, er ist die Initialzündung für eine Entwicklung, die niemand mehr stoppen wird. WIR haben alles in den Händen, WIR werden Chemie wieder zu einer Größe machen, WIR werden unser Wohnzimmer in Besitz nehmen und Stück für Stück werden alte und neue Chemiker dazukommen. Mit Stolz blicken wir auf bisher erreichtes und mit Entschlossenheit gegen wir die nächsten, gewaltigen Aufgaben an. Und wißt ihr, woran ich wirklich glaube? Am 10. Mai 2024 werden WIR in der 4. Liga spielen, gegen unsere alten Freunde und Feinde aus Magdeburg, Zwickau, Jena und Probstheida spielen, in einem strahlenden Alfred-Kunze-Sportpark. Dann wird etlichen in der Stadt das Lächeln vergehen und WIR werden wieder da sein wo wir hingehören!!!
NURNOCH CHEMIE!!! AMEN!