Autor Thema: 3. November 1990  (Gelesen 9908 mal)

Offline Esca

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3. November 1990
« am: 03. November 2017, 16:11 »
Man muss es nicht zum großen Thema machen aber vergessen sollte man es nicht. Nehmen wir es als Mahnung! 27 Jahre ist das jetzt schon her.
Zumal es für mich persönlich eines meiner ersten Chemie - Spiele war...

Der schwärzeste Tag im deutschen und Leipziger Fußball

03.11.1990
10. Spieltag der Oberliga-Nordost:
FC Sachsen Leipzig - FC Berlin 1 : 4 (0:1)

... vor 4 000 Zuschauern im Georg-Schwarz-Sportpark.

Nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen vor, während und nach dem Spiel stirbt der Berliner Fan Mike Polley durch einen "gezielten Schuss" aus der Dienstwaffe eines der, völlig überforderten Polizisten.
Insgesamt werden, nach vorsichtigen Angaben der Polizei, vier Personen aufgrund von Schüssen aus Polizeiwaffen schwer verletzt. Es wurden insgesamt um die 100 Schüsse abgegeben.
Auf beiden Seiten gab es Schwerverletzte.

Hier der Original-Bericht der FuWo aus damaliger Zeit:
----------------------------------------------------------------------------
"Früher Sonnabendnachmittag im Georg-Schwarz-Sportpark von Leipzig. Oberliga-Spiel FC Sachsen - FC Berlin. Die Berliner Fans werden in die neuerbaute Absperrung für Anhänger der Gastmannschaften in der Südkurve geführt. Während Polizeikräfte diesen Einmarsch kontrollieren, durchbrechen Leipziger Hooligans den Eingang am Vereinshaus und machen sich an der linken Seite der kleinen Tribüne breit. Der Anpfiff um 14 Uhr bleibt aus. Wortgefechte zwischen verschiedenen Gruppen, "Sieg heil!"-Rufe. Die Polizei treibt die Berliner Gruppe in die Ecke, um den Sicherheitsabstand zu vergrößern, bringt sie schließlich aus dem Stadion. Einzelne Raketen gehen hoch. Echte Zuschauer werden unruhig. Auch eine Leipziger Anhängergruppe wird aus dem Stadion gebracht. Mit 24 Minuten Verspätung beginnt das Spiel. Doch draußen ist inzwischen die Hölle los.
Einzelheiten aus dem Bericht vom Stabschef der Leipziger Polizei, Oberrat Karl-Heinz Krompholz, der den Gesamteinsatz leitete: Gegen 12 Uhr rotten sich auf dem Hauptbahnhof 30 bis 50 Berliner Hooligans zusammen, auf dem Sachsenplatz sind es 50 bis 100 Leipziger. Gegen 13 Uhr vereinigen sich beide Gruppen. Einem weiteren Zug entsteigen nach gewaltsam erzwungenem Zwischenhalt in Halle mit Steinen bewaffnete Rowdys. Schon auf dem Weg zum Stadion gibt es Auseinandersetzungen mit der Polizei. Schaufenster werden zerstört. Etwa 50 Randalierer werden in Gewahrsam genommen. Als die Polizeikräfte im Stadion Ordnung geschaffen haben, wird gegen 14.15 Uhr vom Bahnhof Leutzsch die Ankunft von 300 bis 500 Personen gemeldet, die zum Haupteingang des Stadions wollen. Die Polizeikräfte werden neu formiert.
Gegen die zahlenmäßige Übermacht wird Reizgas angewendet, um tätlichen Angriffen und Feuerwerkskörpern begegnen zu können. Es gelingt, die Hooligans zum Bahnhof zurückzudrängen. Aber man schafft es nicht, sie von dort abzutransportieren. Der Mob bewaffnet sich mit Schottersteinen, Eisenstangen, versucht noch einmal über die Pettenkoferstraße zum Stadion zu marschieren. Die Polizei ist diesem Angriff nicht gewachsen, muß, sich zurückziehen, wird eingeklemmt. Mit Reizgas wird keine Wirkung mehr erzielt. In dieser Situation gibt der Einsatzleiter den Befehl zum Schußwaffengebrauch. Gezielt? Er sagt: "Jeder weiß, daß zuvor ein Warnschuß abgegeben werden muß. Ein Zielen war unter den Bedingungen gar nicht möglich." Es fallen Schüsse. Einige Randalierer geben auf. Andere fahren unerkannt in die Stadt zurück.
Aber bald verbreitet sich: Einige Hooligans sind von den Schüssen getroffen zusammengebrochen. Der 18jährige Berliner Mike P. wird von einer Kugel im Gesicht getroffen. Er bricht zusammen. Blut schießt aus der Wunde. Jede Hilfe kommt zu spät. Er stirbt kurz darauf. Freunde legen ihm eine Jacke über das blutverschmierte Gesicht. Der am 23. April 1972 geborene Berliner war offenbar Anhänger des ehemaligen Stasi-Klubs FC Berlin. Später gibt die Polizei bekannt, daß durch die Schüsse drei weitere Menschen schwer- und sechs leichtverletzt wurden. Unterdessen geht die Zerstörungswut weiter. Ein Mannschaftswagen, ein Polizei-Lada sowie ein Zivil-Trabant werden angesteckt. Außerdem rund 15 Zivil-Fahrzeuge. 80 Personen werden festgenommen. Doch das ist längst nicht alles. Während das Spiel "ordnungsgemäß" zu Ende geht, ist in der Innenstadt der Teufel los.
Augenzeugen berichten: Gegen 16 Uhr werden am Brühl Straßenbahn-Türen aufgerissen. Ein Mann: "Etwa 50 junge Männer vermummten sich mit Schals und Kapuzen, rannten zwischen Autos quer über die Fahrbahn zu den Kiosken am Konsument-Warenhaus, zertrümmerten sie, nahmen mit, was ihnen in die Hände kam, warfen die Fenster des Warenhauses ein." Danach ziehen sie in Richtung Innenstadt. Am Sporthaus prankt ihnen der Slogan "Wir sind am Ball" entgegen. Wenig später liegt alles in Scherben. In weiteren Geschäften werden die Schaufenster zerschmissen. Im Parkhotel wird randaliert. Die Nikolaistraße sieht aus, als ob ein Orkan gewütet hat. Blaß und zitternd die Verkaufsstellenleiterin der Schmuck-Vitrine.
"Während des Bedienens wurden mir die Fenster zertrümmert, gerade ausgelegter Schmuck gestohlen. Wieviel, das kann ich nicht sagen. Ich habe auch eine Waffe gesehen. Ob sie echt war, weiß sie nicht. Ich hatte nur Angst und konnte mir keine Einzelheiten merken. Ich glaube, es können bis zu 200 gewesen sein. Sie haben gedroht, daß sie noch einmal wiederkommen." Von Polizei weit und breit keine Spur. Sie und weitere Geschäftsleute warten und hoffen, daß Handwerker kommen, um eingeschlagene Fenster zu verbarrikadieren. Bis dahin müssen sie Wache stehen, damit ihre Läden nicht noch mehr ausgeplündert werden. Auf einer Pressekonferenz, Sonnabend um 19 Uhr im Volkspolizei-Kreisamt Dimitroffstraße, gab Oberrat Krompholz die vorliegenden Fakten bekannt. Er mußte zugeben, daß man auf solche Ausschreitungen nichtvorbereitet war.
Peter Hennig, Fußballwoche, 05.11.1990"



« Letzte Änderung: 03. November 2017, 16:36 von Esca »

Offline J.Meurer ✝

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Antw:3. November 1990
« Antwort #1 am: 03. November 2017, 17:23 »
Danke @Esca !
Es wird zu leicht vergessen, dass die Untersuchung bis heute eigentlich nicht abgeschlossen ist. Ja, bis heute ist nicht ermittelt, warum überhaupt geschossen wurde und ob die Verwendung der Schusswaffe überhaupt angemessen war. Da Mord nicht verjährt, ist genau DAS mal ein mindestens relevanter Fakt.
Wenn der Letzte merkt, dass die Erde keine Scheibe, RB kein Verein und die Stadt Leipzig keine Sportstadt ist, dann könnte alles irgendwann noch einmal gut werden.

Wenn von den Dummen und der Journallie aus Fans Ultras gemacht werden, dann wollen wir auch welche sein: NUR DIE BSG! NIEMAND WIE WIR!

Offline Double1982

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Antw:3. November 1990
« Antwort #2 am: 03. November 2017, 22:50 »
Wer damals dabei war sollte anders darüber denken ... das war notwehr und kein mord und punkt .. denn das was sich vor dem stadion am bahnhof und den gleisen abgespielt hat , das hat den härtestesten chemiefans n gewissen schauer den rücken runterlaufen lassen .. ich hab für diese bekloppten hools null verständniss .. und wer mit hunderten in der ersten reihe steht und steine flaschen oder sonstiges wirft , autos anzündet alles und jeden bedrohen, ist nicht unschuldig ...wenn die sich damals im stadion ausgetobt hätten , währe viel mehr passiert ... weil diesen assis war egal wer ihnen gegenübersteht  , die haben einfach auf alles und jeden eingeschlagen , diese leute hatten und haben  null etikette  ...
Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern .

Offline Esca

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Antw:3. November 1990
« Antwort #3 am: 03. November 2017, 23:26 »
Wer damals dabei war sollte anders darüber denken ... das war notwehr und kein mord und punkt .. denn das was sich vor dem stadion am bahnhof und den gleisen abgespielt hat , das hat den härtestesten chemiefans n gewissen schauer den rücken runterlaufen lassen .. ich hab für diese bekloppten hools null verständniss .. und wer mit hunderten in der ersten reihe steht und steine flaschen oder sonstiges wirft , autos anzündet alles und jeden bedrohen, ist nicht unschuldig ...wenn die sich damals im stadion ausgetobt hätten , währe viel mehr passiert ... weil diesen assis war egal wer ihnen gegenübersteht  , die haben einfach auf alles und jeden eingeschlagen , diese leute hatten und haben  null etikette  ...

Du musst es ja wissen...
Selbst ich, der als Kind bei diesem Spiel auf der Haupttribüne zugegen war und zur Halbzeit das Stadion an der Hand seines Vaters über den Waldausgang verließ, maße mir nicht an zu beurteilen was dort wirklich am Leutzscher Bahnhof geschehen ist. Auch nicht an Hand der vorhandenen Fotos und wenigen Fernsehaufnahmen. Ein Urteil darüber steht also dir und auch mir nicht zu. Ich weiß aber das nichts, aber auch gar nichts solch blindes Rumgeballer mit scharfer Munition rechtfertigt. Und über 100 abgefeuerte Kugeln aus Dienstpistolen sind nach meinem Verstand eben keine Notwehr.
« Letzte Änderung: 03. November 2017, 23:39 von Esca »

Offline Paparazz Locke

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Antw:3. November 1990
« Antwort #4 am: 04. November 2017, 07:37 »
Du musst es ja wissen...
Selbst ich, der als Kind bei diesem Spiel auf der Haupttribüne zugegen war und zur Halbzeit das Stadion an der Hand seines Vaters über den Waldausgang verließ, maße mir nicht an zu beurteilen was dort wirklich am Leutzscher Bahnhof geschehen ist. Auch nicht an Hand der vorhandenen Fotos und wenigen Fernsehaufnahmen. Ein Urteil darüber steht also dir und auch mir nicht zu. Ich weiß aber das nichts, aber auch gar nichts solch blindes Rumgeballer mit scharfer Munition rechtfertigt. Und über 100 abgefeuerte Kugeln aus Dienstpistolen sind nach meinem Verstand eben keine Notwehr.
Vielleicht würdest du anders urteilen, wenn du nach dem Spiel in Richtung des alten S-Bahnhofs den Georg-Schwarz-Sportpark verlassen hättest. Ich stand damals unter Schock über das Ausmaß der Gewalt dieser Straftäter. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn diese Schlägertrupps in unser Stadion gelangt und auf uns losgegangen wären.
Ob der Schusswaffeneinsatz gerechtfertigt war, kann ich nicht beurteilen. Ich bin trotzdem den (viel zu wenigen und ohne Schutzkleidung ausgestatteten) Polizisten von damals dankbar, dass sie an diesem Tag meine Gesundheit geschützt haben.

GWG Locke
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Offline Dantel

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Antw:3. November 1990
« Antwort #5 am: 04. November 2017, 08:08 »
Danke @Double1982 und @Paparazz Locke. Ihr sprecht mir aus der Seele. 
"Frage nicht, was Chemie für Dich tun kann, sondern was Du für Chemie tun kannst."

Offline Scherben und Steine

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Antw:3. November 1990
« Antwort #6 am: 04. November 2017, 09:32 »
Danke @Double1982 und @Paparazz Locke. Ihr sprecht mir aus der Seele.

Dem schließe ich mich vorbehaltlos an!

Völlig unverständlich ist für mich die Behauptung, dass ca. 100 Schuss Munition aus Polizeiwaffen abgeschossen worden sein sollen. Völliger Unsinn. Mit solchen Behauptungen kann man natürlich schön den blinden Hass gegen die Staatsgewalt schüren.
« Letzte Änderung: 04. November 2017, 09:35 von Scherben und Steine »

Offline Esca

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Antw:3. November 1990
« Antwort #7 am: 04. November 2017, 09:50 »
Die über 100 Schuss sind wohl den Ermittlungsakten entnommen worden. Soviel zum "Unsinn"...
Am FUWO - Artikel zu berichtigen wäre die Tatsache, dass es ein Lungendurchschuss und kein Kopfschuss war.
Darüber hinaus bleibe ich dabei. Mit ein paar fliegenden Steinen kann man schießwütige Polizisten nicht erklären. Nein, es rechtfertigt nicht die Tötung eines Menschen. So ziemlich nichts rechtfertigt sowas!

« Letzte Änderung: 04. November 2017, 09:53 von Esca »

Offline Sisch

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Antw:3. November 1990
« Antwort #8 am: 04. November 2017, 10:35 »
Die über 100 Schuss sind wohl den Ermittlungsakten entnommen worden. Soviel zum "Unsinn"...
Am FUWO - Artikel zu berichtigen wäre die Tatsache, dass es ein Lungendurchschuss und kein Kopfschuss war.
Darüber hinaus bleibe ich dabei. Mit ein paar fliegenden Steinen kann man schießwütige Polizisten nicht erklären. Nein, es rechtfertigt nicht die Tötung eines Menschen. So ziemlich nichts rechtfertigt sowas!



Naja, auch fliegende Steine können töten.

Offline Scherben und Steine

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Antw:3. November 1990
« Antwort #9 am: 04. November 2017, 10:39 »
Die über 100 Schuss sind wohl den Ermittlungsakten entnommen worden. Soviel zum "Unsinn"...
Am FUWO - Artikel zu berichtigen wäre die Tatsache, dass es ein Lungendurchschuss und kein Kopfschuss war.
Darüber hinaus bleibe ich dabei. Mit ein paar fliegenden Steinen kann man schießwütige Polizisten nicht erklären. Nein, es rechtfertigt nicht die Tötung eines Menschen. So ziemlich nichts rechtfertigt sowas!



Das wäre ja ein Traum, wenn die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft schon freigegeben wären. So weit ich weiß, wurde im Umkreise des Teams um J.F. (als es eben um Recherchen für seine Trilogie ging) vor zwei drei Jahren darüber diskutiert, ob die entsprechenden Akten einsehbar sind. Jedenfalls waren die Akten vor ca. 18 Monaten noch nicht zugänglich, obwohl die 25jährige Speerfrist bzw. die Frist für Freigabe an die Archive verstrichen war. JF. weiß bestimmt besser Bescheid.

Unabhängig von den Akten. Wer vor dem Abfeuern des Todesschusses im AKS war, hat es erst einmal nicht gemerkt (gehört). Wenn es eine "wilde Ballerei" gegeben hätte (d. rund hundert Schuss), wäre dies sehr wohl sehr schnell publik geworden. Der Berichterstattung aus der Presse nach dem 3. Nov. ist m.E. sehr eindeutig zu entnehmen, dass es einen (mehrere?) Schuss (Schüsse?) aus einer (!) Polizeiwaffe gab. Ich möchte ausschließen, dass die Polizei am 3. Nov. mit Kalschnikows angerückt ist. Keine Ahnung, wie viel Schuss Munition in einem Magazin einer Polizeipistole sind, jedenfalls überschaubar.

Dass die BFC-Kriminellen für bürgerkriegsähnliche Zustände gesorgt haben, gilt als gesichert. Der Schusswaffeneinsatz scheint gerechtfertigt gewesen zu sein. Scheint! Mehr kann man dazu zur Zeit nicht sagen. Eine moderne Mantra ist jedoch die Storry vom "Wilden Westen" mit wild um sich schießenden Polizisten.

PS. In einem anderen Forum sind vor wenigen Tagen auch Geschichten über die Union-Spiele von 1980 und 1981 erzählt worden, die völliger Schwachsinn sind. ... Unioner mit rot-weiß bemalten Wehrmachtshelmen und Fahrradketten und ähnlicher Quatsch. ... ganz zu schweigen davon, dass der Märchenerzähler das Aprilspiel von 1980 mit dem Herbstspiel von '81 verwechselt hat.

Offline Esca

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Antw:3. November 1990
« Antwort #10 am: 04. November 2017, 10:56 »
Das wäre ja ein Traum, wenn die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft schon freigegeben wären. So weit ich weiß, wurde im Umkreise des Teams um J.F. (als es eben um Recherchen für seine Trilogie ging) vor zwei drei Jahren darüber diskutiert, ob die entsprechenden Akten einsehbar sind. Jedenfalls waren die Akten vor ca. 18 Monaten noch nicht zugänglich, obwohl die 25jährige Speerfrist bzw. die Frist für Freigabe an die Archive verstrichen war. JF. weiß bestimmt besser Bescheid.

Unabhängig von den Akten. Wer vor dem Abfeuern des Todesschusses im AKS war, hat es erst einmal nicht gemerkt (gehört). Wenn es eine "wilde Ballerei" gegeben hätte (d. rund hundert Schuss), wäre dies sehr wohl sehr schnell publik geworden. Der Berichterstattung aus der Presse nach dem 3. Nov. ist m.E. sehr eindeutig zu entnehmen, dass es einen (mehrere?) Schuss (Schüsse?) aus einer (!) Polizeiwaffe gab. Ich möchte ausschließen, dass die Polizei am 3. Nov. mit Kalschnikows angerückt ist. Keine Ahnung, wie viel Schuss Munition in einem Magazin einer Polizeipistole sind, jedenfalls überschaubar.

Dass die BFC-Kriminellen für bürgerkriegsähnliche Zustände gesorgt haben, gilt als gesichert. Der Schusswaffeneinsatz scheint gerechtfertigt gewesen zu sein. Scheint! Mehr kann man dazu zur Zeit nicht sagen. Eine moderne Mantra ist jedoch die Storry vom "Wilden Westen" mit wild um sich schießenden Polizisten.

PS. In einem anderen Forum sind vor wenigen Tagen auch Geschichten über die Union-Spiele von 1980 und 1981 erzählt worden, die völliger Schwachsinn sind. ... Unioner mit rot-weiß bemalten Wehrmachtshelmen und Fahrradketten und ähnlicher Quatsch. ... ganz zu schweigen davon, dass der Märchenerzähler das Aprilspiel von 1980 mit dem Herbstspiel von '81 verwechselt hat.

Ich selbst erinnere mich noch schwammig an die Rennereien an der Schneise zum Leutzscher Bahnhof hoch. Von der Tribüne konnte man das ganz gut aus der Ferne beobachten. Das Geschrei von außerhalb kommend (Pettenkofer Straße?) und den leicht qualmigen Geruch (Pyro, Tränengas?). Ich war gerade 8 Jahre geworden und zugegeben ziemlich verschreckt.
Zur Halbzeit sind wir dann gegangen. Mein Vater meinte nur das sei jetzt besser so, auch weil er wohl ahnte bzw. von Freunden hörte das da draußen noch mehr passierte als die für diese Zeit fast schon üblichen Kloppereien zwischen ein paar Hooligans.

Wie du auch aus der Reportage bzw. den dort veröffentlichten Fotos entnehmen kannst, schossen mehrere Beamte mit ihren normalen Dienstwaffen. Daher die Masse an verschossener Munition.

P.S. Was diese ganzen Berichte über die Schlachten gegen Union zwischen 79 und 85 angeht. Da vertraue ich lieber auf die Berichte von Leuten wie Jens, Salami und anderen "Dabeigewesenen". Nicht auf das was anonym in irgendwelche Foren gehämmert wird, ohne zu wissen wer es verfasst hat.
« Letzte Änderung: 04. November 2017, 11:08 von Esca »

Offline Double1982

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Antw:3. November 1990
« Antwort #11 am: 04. November 2017, 11:50 »
ich hab die bilder noch gut im kopf ... das ist und war das einzige spiel von chemie , wo ich jemals angst hatte ... da war union 81 , dessau und und und alles kindergarten dagegen .. ob nun akten oder nicht ...das nicht mehr passiert ist, muss man den polizisten zurechnen ... und ich finde da von mord zu reden ist vermessen .. ich halte nicht viel von trapo bepo oder vopo oder die schlimmsten "die Helfer der Volkspolizei" .. mich hamse nicht nur einmal "festgesetzt " ich habe 4 oder 5 fotoapperate eingebüßt ... ja und ich hab selbstgeschossene fotos  die du in keinem leutzscher buch findest .. aber nach mehreren besuchen von stasi und volkspolizei bin ich einiges losgeworden .. mein einziger vorteil .. mein fotoladen hieß pampel .. der hat bei uns nie gefragt .. ich denke dieses Thema sollte abgeharkt werden ... für uns auch die "alten" die sich nicht haben blenden lassen um zu RB zu rennen , muss es heißen nach vorn zu schauen , um dafür zu sorgen das diese BSG Chemie niemals wieder untergeht ... und ein guter anfang ist gemacht ...
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Offline Dantel

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Antw:3. November 1990
« Antwort #12 am: 04. November 2017, 12:01 »
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Also ich erinnere mich (ich war 22) an vereinzelte Schüsse in einer recht kurzen Phase. Wer schonmal Pistolenschüsse gehört hat, der weiß dass das nicht besonders beeindruckend klingt, wenn sowieso nebenbei schon Pyrotechnik im Einsatz ist, deshalb kann mir da schon auch was entgangen sein. Ist ja kein Actionfilm, sondern das wahre Leben. Deshalb haben die Hooligans ja nach eigener Aussage kaum reagiert. Aber 100 Schuss...das wäre niemandem entgangen, das sind bei 8 Schuss im Magazin ungefähr 12-13 Magazine leergeschossen oder 12-13 Polizisten, die ihr Magazin leer schießen. Das würde ich dann schon gern selber lesen, weil es meiner Erinnerung nicht entspricht und so einen Tag, da vergisst man nicht so viel, auch wenn die Erinnerung einem schon mal Streiche spielt.

Darüber hinaus: Ich bin sicher kein Freund der Polizei, aber: Du hast dem Polizeifotografen schon zugehört und Dir die Bilder angesehen, oder? Das war eine bekloppte Verbrecherbande die da aufgeschlagen ist und wenn die Polizei nicht gewesen wäre, hätten die uns im Stadion massakriert, denn deshalb waren sie gekommen. Vielleicht würdest Du dann anders schreiben. Es gibt keinen Grund, diese Bande von Verbrechern zu bedauern oder in Schutz zu nehmen. Ich möchte Dich sehen, wenn Du als Polizist zu dritt oder viert an einer Ecke stehst und so ein Mob stürmt auf Dich zu. Das in den sowieso schon chaotischen Zeiten. Da kann man schon die Nerven verlieren. Rechtfertigen - nein. Klar gehört sowas dann ordentlich ermittelt und bestraft, aber unter Berücksichtigung aller Umstände. Ich weiß nur nicht, ob Du auch an einen toten Polizisten an diesem Tag erinnert hättest.

Und wenn Du Dir mal das Interview (das längere, nicht das aus dem Video) mit den Berliner Hooligans anschaust, also gerade der Typ mit der gelben Jacke, was da für Gülle aus dem Schädel quillt, da vergeht einem jedes Mitleid. Ich bin danach für gut zwei Jahre in keinem Füßballstadion mehr gewesen. Weniger wegen der Polizei, als vielmehr wegen diesen Wi...ern.
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Offline thommy

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Antw:3. November 1990
« Antwort #13 am: 04. November 2017, 12:22 »
Wer das Leben von Daniel Nivel in Frankreich seit 1998 kennt, wünschte dieser hätte eine ganze Kalaschnikow gehabt um das ganze Geratze abzuballern. Wir waren früher gewiß auch keine Kinder von Traurigkeit und haben viele unschöne Begegnungen auch mit den Bullen gehabt. Aber immer halbwegs auf Augenhöhe. So feige wie 1990 in Leutzsch oder 1998 in Lens war keiner.
Toleranz ist das unbehagliche Gefühl, der Andere könnte am Ende vielleicht doch Recht haben.

Offline J.Meurer ✝

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Antw:3. November 1990
« Antwort #14 am: 04. November 2017, 17:42 »
Was bleibt ist ein toter Fußballfan (zu viel) und ein mindestens dubioses Ermittlungsverfahren. Mir ist völlig Wurscht, wer hier wem die Schuld in die Schuhe schieben will. Nichts soll relativiert werden und mit Sicherheit denken auch auf BFC-Seite einige Protagonisten heute anders über ihre Aktionen von damals. Aber Fakt ist: Es gab einen Toten! Sich jetzt hinzustellen und bigott von "Selbst schuld!" zu labern, ist aus meiner Sicht aber sowas von Scheiße!

Ich erinnere mich noch ziemlich deutlich an die Gesichter der Überfallenen in unserem Fantreff in Leutzsch vor ein paar Jahren. Da war eher Glück dabei, dass keiner für immer liegen geblieben ist.

Ich stelle mir die Frage, wo das alles endet, wenn man nach so vielen Jahren nicht mal den Arsch in der Hose hat, die Umstände um den Tod von M. Polley vollständig aufzuklären. Ein Minimum wäre eine abgeschlossene Ermittlung, die nicht das Gschmäkle von Vertuschung und Verschleierung hat.

@thommy
M. Polley & D. Nivel = Äpfel & Birnen! Die Umstände lassen keinerlei Quervergleich zu. Die Nivel-Aktion war das Allerletzte und ich glaube nicht, dass ein Hool das mitgemacht hätte. Das waren absolute Arschlöcher mit verpeiltem Horizont! Außerdem lässt das Resultat in beiden Fällen einfach mal nicht zu, dass man irgendwelche Vergleiche anstellt.

@all
Meiner Meinung nach geht es nicht um Verklärung von etwas. Es geht einfach mal um mahnende Erinnerung. Und ich kann als "Dabeigewesener" den Tag nicht vergessen, bekomme das nicht mehr aus meinem Kopf und das wird wohl ein Leben lang so bleiben.
« Letzte Änderung: 04. November 2017, 17:47 von J.Meurer »
Wenn der Letzte merkt, dass die Erde keine Scheibe, RB kein Verein und die Stadt Leipzig keine Sportstadt ist, dann könnte alles irgendwann noch einmal gut werden.

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