
Meine Güte, wann hab ich das das letzte mal erlebt? Die ganzen letzten Wochen hab ich mich dabei erwischt, die verbleibenden Tage bis zum nächsten Heimspiel zu zählen. Wann hat Chemie zuletzt so viel Spaß gemacht und meinen Kopf belagert? Ja, klar, zum Saisonfinale letzten Frühsommer, aber mitten in der ersten Saisonhälfte? Ist es die Luft der Tabellenspitze? Ja, sicher auch. Aber auch die Vorfreude auf das Duell gegen Stahl Riesa, das jede Woche näher rückt. Der Familienblock, der seit der Sanierung so tummelig ist, daß man ständig mit seinem Bier über Kinder stolpert. Die Sonne über Leutzsch, die irgendwie auch noch mitten im Herbst immer pünktlich wenn Chemie spielt ihren Weg durch die Wolken findet. Der AKS, der sich seit diesem Sommer tatsächlich so anfühlt, als würde man nach Hause kommen. Der Anblick der Nachwuchsmannschaften mit dem geliebten Fünfeck auf der Brust und die stattlichen Ergebnisse. Der drei Jahre alte Sperrmüllhaufen neben der Familienblockhütte am Waldrand, der mich zuverlässig grüßte und nervte, und der vor wenigen Wochen endlich verschwunden ist. Das Bier, das endlich wieder so richtig schmeckt, seit man damit nicht mehr die Totengräber von Leutzsch finanziert. Die strahlenden, stolzen Gesichter, die vor und nach dem Spiel im AKS rumwuseln. Das leise Gefühl, allmählich von den Freunden und Bekannten verstanden zu werden, warum man Chemie so einzigartig anziehend findet. Und nicht zu letzt der Gedanke an die vielen armseligen Gestalten, die zum Fußball gucken in die Schüssel rennen und meinen, sie sähen dort endlich großen Fußball. Nee, Leute, den Fußball wie er eigentlich lebt, den seht ihr in Leutzsch, mit seinen unendlichen Geschichten vom Leiden und Lieben und vergebens Mühen und Scheitern und Jubeln, vom Gefühl der letzte Depp zu sein und bald danach der König der Welt. Was ihr da in der Schüssel seht ist Inszenierung, Mißbrauch des Begriffes Fußball für eine Sache, die nur wenigen nützt und dem Fußball schadet. Armselig, traurig.
Aber zu meiner BSG kann ich sagen: Chemie, ich liebe dich. Morgen hast du mich wieder.

Sorry, mußte einfach mal raus.