Ich habe die Gunst der Relegation genutzt, um mir den BFC und vor allem auch die Entwicklung in dessen Umfeld mal persönlich anzuschauen.
Vorab, auch wenn ich es verstehen kann - mir gehen die Befindlichkeiten zum ehem. Stasi-Verein vollkommen ab. Dafür bin ich wahrscheinlich auch einfach zu jung.
Mich hat gegenwärtig mal interessiert, wie sich das Umfeld dort entwickelt hat. Dabei schaue ich mir sowas gerne persönlich an, als dem stupiden Hörensagen und medialer Berichterstattung zu folgen.
Zu allererst musste ich feststellen - für ortsunkundige ist Berlin ein um’s andere Mal eine Herausforderung. In Alt-Hohenschönhausen angekommen war ein Parkplatz in Stadionnähe aber schnell gefunden, insoweit war ich schon mal ganz zufrieden.
Zu den ersten Fankontakten im Umfeld des Stadions zählten viele, oftmals junge Väter mit Kindern, auch das ein oder andere Mal mit Migrationshintergrund. Da wurde eine gewisse, stereotype Erwartungshaltung positiv erschüttert. Die Nachwuchsabteilung beim BFC ist wohl auch nicht die schlechteste.
Am heimseitigen Stadionzugang, Konrad-Wolf- / Ecke Sandinostraße, befand sich am gegenüberliegenden Haus `n Späti mit Fensterverkauf und für mich zwei eiskalten Berliner Kindl. Positiv, wenn auch keine Geschmacksoffenbarung. Entspannt und neugierig betrachtete ich das Treiben um mich herum und es wurde schnell klar – hier ist einiges passiert.
Neben genau dem Klientel, was man beim BFC auch erwartet, war das ein bunt gemischter Haufen. Kurze Haare, lange Haare, bunte Haare, gar keine Haare, …, Väter/ Fam. mit Kindern, viele ältere Pärchen, Jugendgruppen, die eher Richtung Studentenverbindung, als Kampfsportverein einzuordnen waren, viele Frauen jeglichen Alters… da war ich echt baff. Das sind z.T. einfache Stereotypen, das ist mir klar, jedoch war ich wirklich überrascht von der Vielfalt sowie der Masse an vermeintlichen „Normalos“ und wie die auch mit- & untereinander konnten. Klar, da waren am Samstag dreimal so viele wie sonst, aber das konnte man schon recht gut unterscheiden.
Ich habe da noch, wie wahrscheinlich so viele, den FC Berlin und jungen „neu-BFC“ in Kopf, wo auf kaum 500 Zuschauer gefühlte 450 Nazi-Hools kamen. Klar, die sind immer noch da, dabei aber deutlich gesetzter und in die Jahre gekommen. Als dann eine Kolonne röhrender, weinroter Biker auf den Stadionvorplatz einbog - das war schon ein Schauspiel und auch ein stückweit beeindruckend. Ich konnte mir da an der ein oder andern Stelle das Grinsen auch nicht verkneifen.
Wenn ich da im direkten Vergleich an das Pokalfinale in Chemnitz denke, war das in Berlin eine völlig andere Nummer. Politisch teilweise noch nah beieinander, das ist nicht von der Hand zu weisen, aber trotzdem irgendwie vollkommen anders und so gar nicht vergleichbar.
Da stellt sich mir die Frage, wie kommt das? Was macht ausgerechnet den allseits so verhassten BFC, abseits von der alten Dame und den Eisernen aus Köpenick, offenbar (wieder!) so attraktiv?
Ist es der Charme-, die Nostalgie des abgerockten, unterklassigen Fußballs? Der ehemals „große“ BFC, zwischenzeitlich als FC Berlin nahezu in der Versenkung verschwunden und nunmehr mit einem Bein in der 3. Liga?
Die Frage ist, was bin ich für ein Fußballfan? Was kommt in Berlin nach zweimal Belle Etage? Viktoria, mit einem Zuschauerschnitt von 1.981 in der abgelaufenen Drittligasaison, wobei die ohne Gästefans wahrscheinlich im dreistelligen Bereich oder nur knapp über tausend rumgurken würden. Da kann ich dreimal 1889 im Namen haben. Solche Vereine haben kein standing … und dann? Nebst der restlichen Berliner Sportplatzclubs passiert da nicht mehr viel … abgesehen von eben diesem verruchten und dennoch traditionsreichen BFC!
Ist das in der momentanen, Berliner Fußballlandschaft reizvoll? Nachdem ich nun taggleich auch wieder diese aufgeblasenen Bonbonveranstaltung eines Champions League – Finals gesehen habe sage ich ganz klar - ja, das hat durchaus seinen Reiz!
In dieses Umfeld passt dann das Ambiente des Sportforums wunderbar hinein. Eine echte Bruchbude, aber irgendwie auch geil. Ich mag sowas, das ist authentisch und passt zum Verein wie der berühmte Arsch auf den Eimer.
Die Hütte war in den freigegebenen Bereichen dann auch rammelvoll. 5.000? Naja, eher Richtung 6.000 und der Handel vor’m Stadion florierte. Allein ich wurde zweimal gefragt, ob ich noch Tickets hätte. Dabei war ich selber noch auf dem Weg zu einem solchen, inoffiziellen „Treffen“. Ich denke man hätte hier auch gut und gerne 7.000 Karten und mehr verkaufen können.
Die Stimmung im Block war ein Witz! Zu viel Grüppchenbildung und Kanon, da fehlte ganz klar die Organisation. Böses Blut dem Gegner gegenüber konnte ich überhaupt nicht feststellen. Ganz im Gegenteil, beim Thema „Scheiß DFB!“, im minutenlangen Wechselgesang mit den Oldenburgern wurde schnell deutlich gemacht, was von dieser unsäglichen Relegation zu halten ist.
Sportlich trat dann genau das ein, was ich erwartet habe. Der BFC im Fahrwasser der letzten 2, 3 Monate - schwach, ohne Ideen und Durchschlagskraft. Beck versemmelt Dinger, die hätte er in der Hinrunde im Schlaf gemacht. Da ist einfach der Wurm drin.
Oldenburg hingegen teilweise richtig stark, mit spielerischen Mitteln und der nötigen Effizienz.
Ich hätte es beim BFC vielleicht wie K`lautern gehalten und vor der Relegation die Reißleine gezogen. Benbennek ist einfach ein ewig nörgelnder-, durch und durch unsympathischer Vogel. Ich glaube der ist auch innerhalb der Mannschaft längst nicht so beliebt, wie man das vermuten könnte. Wie der mit seiner ganzen Art und Weise Spieler motivierten will ist mir ein Rätsel und genau da hängt es m.E. nach auch. Wenn man nahezu 3 Monate auf der Stelle tritt bzw. sich am Ende berechtigterweise fragt, wie man es mit einem solchen Gegurke an die Spitze der Tabelle geschafft hat, sollte man sich im Verein Gedanken machen und das rechtzeitig.
Ich mag nicht so recht daran glauben, traue dem BFC aber durchaus zu, die Sache noch drehen zu können. Zumal man sich in Oldenburg schon verdammt sicher zu sein scheint. Der BFC hat hier nichts mehr zu verlieren und das ist aus meiner Sicht durchaus ein Vorteil.
Eine Bereicherung für die 3. Liga wären sie in jedem Fall, allein schon des Namens und der historischen wie auch gegenwärtigen Attitüde wegen. Die Paarung Dynamo Dresden – BFC Dynamo, da bekomme ich beim Gedanken schon Gänsehaut.
Mir hat der Ausflug nach Berlin durchaus Freude bereitet und interessante Eindrücke und Erkenntnisse beschert.
So angewidert ich in Chemnitz war, so überrascht war ich hier. Natürlich sind das alles Momentaufnahmen aus einem Besuch - sowohl hier, als auch in Chemnitz - das darf man dabei nie aus den Augen verlieren.